Wilhelm Windhaus

An der Len­ge­ri­cher Stra­ße 47 in einer Sack­gas­se gegen­über dem Motor­rad­mu­se­um (frü­he­re Schu­le Lehen) wohn­te die Fami­lie Wind­haus. Der ledi­ge Schorn­stein­fe­ger-Gesel­le Wil­helm Wind­haus, gebo­ren am 10. Okto­ber 1900 in Ibben­bü­ren-Lehen, ein Sohn von Hein­rich und The­re­sia Wind­haus, wur­de am 12. Sep­tem­ber 1934 in die Pro­vin­zi­al-Heil­an­stalt Müns­ter-Mari­en­thal ein­ge­wie­sen. Die Dia­gno­se lau­te­te: „Schi­zo­phre­nie“. Knapp sie­ben Jah­re ver­brach­te er in die­ser Kli­nik.

Bei der Vor­be­rei­tung auf die ers­te Stol­per­stein-Ver­le­gung für ein Opfer der Ver­fol­gung und Ver­nich­tung von Men­schen mit kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder see­li­schen Behin­de­run­gen (von den Natio­nal­so­zia­lis­ten als „lebens-unwer­tes Leben“ bezeich­net, denen der „Gna­den­tod“ gewährt wer­den soll­te) ging der Len­kungs­kreis davon aus, dass Wil­helm Wind­haus in die deut­lich näher gele­ge­ne Pro­vin­zi­al-Heil­an­stalt Len­ge­rich ein­ge­wie­sen wor­den wäre. Doch unter den 440 Men­schen, die von Len­ge­rich aus in vier Tötungs­an­stal­ten trans­por­tiert wur­den, befand sich sein Name nicht. Eine Anfra­ge an die Anstalt Hada­mar ergab, dass Wil­helm Wind­haus am 31. Juli 1941 mit 80 wei­te­ren Pati­en­ten von Müns­ter aus in die Anstalt Eich­berg (Hes­sen) ver­legt wur­de und dort am 16. Dezem­ber 1941 starb. So steht es jeden­falls auf der Ster­be­ur­kun­de. Als Ster­be­ort ist dort „Eich­berg, Gemein­de­be­zirk Erbach“ ein­ge­tra­gen. Als Todes­ur­sa­che wird „Siech­tum bei Spal­tungs-Irre­sein“ ange­ge­ben, eine Über­set­zung des grie­chi­schen Fach­be­griffs „Schi­zo­phre­nie“.

Geplant war offen­sicht­lich die Ermor­dung der Pati­en­ten aus Müns­ter in der Tötungs­an­stalt Hada­mar, in die sie nach vier bis sechs Wochen ver­legt wer­den soll­ten. Doch am 24. August 1941 wur­de die Akti­on T4 auf Wei­sung von Adolf Hit­ler reichs­weit ein­ge­stellt. „Akti­on T4“ (nach der Zen­tral­stel­le in der Tier­gar­ten­stra­ße 4 in Ber­lin) ist eine nach 1945 gebräuch­lich gewor­de­ne Bezeich­nung für den sys­te­ma­ti­schen Mas­sen­mord an mehr als 70.000 Men­schen mit kör­per­li­chen, geis­ti­gen und see­li­schen Behin­de­run­gen in Deutsch­land von 1940 bis 1941 unter Lei­tung der Zen­tral­dienst­stel­le T4. Die­se Ermor­dun­gen waren Teil der Kran­ken­mor­de in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus, denen bis 1945 über 200.000 Men­schen zum Opfer fie­len.
Und dass die Akti­on offi­zi­ell been­det wur­de, hat etwas mit der Kli­nik in Müns­ter zu tun. So wur­den dort seit 1941 wie auch in ande­ren Ein­rich­tun­gen die­ser Art Lis­ten von Pati­en­ten zusam­men­ge­stellt, die in Ver­nich­tungs­la­ger abtrans­por­tiert wer­den soll­ten. Aller­dings konn­ten die­se nicht vor den Cle­mens­schwes­tern geheim gehal­ten wer­den, die eben­falls für die Pfle­ge der Pati­en­ten zustän­dig waren. So soll es der nie­der­län­di­schen Ordens­schwes­ter Lau­de­ber­ta zu ver­dan­ken sein, die auf Anra­ten des Müns­te­ra­ner Pas­tors Rensing den dama­li­gen Bischof von Müns­ter, Cle­mens August Graf von Galen, davon infor­miert hat. Die­ser pran­ger­te dar­auf­hin in sei­ner Pre­digt vom 3. August 1941 in St. Lam­ber­ti öffent­lich die­sen Umstand an, was letzt­end­lich dazu führ­te, dass die „Akti­on T4“ offi­zi­ell ein­ge­stellt, aber in Wirk­lich­keit zunächst nur ein­mal unter­bro­chen wur­de.

Doch Wind­haus und die übri­gen Pati­en­ten aus Müns­ter wur­den nicht zurück­ge­schickt, son­dern sie blie­ben in Eich­berg oder einer benach­bar­ten hes­si­schen Kli­nik, wo die meis­ten von ihnen direkt (in Gas­kam­mern) oder aber indi­rekt (durch bewuss­te Man­gel­er­näh­rung, sys­te­ma­ti­sche Ver­nach­läs­si­gung oder die Ver­ab­rei­chung von Medi­ka­men­ten) ermor­det wor­den sind. Der Bevöl­ke­rung im Teck­len­bur­ger Land war zu die­sem Zeit­punkt nur bekannt, dass 440 Men­schen aus der Pro­vin­zi­al-Heil­an­stalt Len­ge­rich depor­tiert wur­den. Man wuss­te nicht, wohin man sie trans­por­tier­te. Gerüch­te zir­ku­lier­ten, dass die­se Men­schen durch Ver­su­che mit Gas ermor­det wur­den.

Für Wil­helm Wind­haus wur­de am 9. Novem­ber 2024 an der Adres­se Len­ge­ri­cher Stra­ße 47 in Ibben­bü­ren ein Stol­per­stein ver­legt.