Julius Kaufmann

Juli­us Kauf­mann wur­de am 14. August 1868 in Ibben­bü­ren gebo­ren. Sei­ne Eltern Moses und Pau­li­ne Kauf­mann (gestor­ben 1910) führ­ten ein Tex­til­ge­schäft (“Manu­fak­tur­wa­ren”) in der Bahn­hof­stra­ße 21, das Juli­us, spä­tes­tens nach dem Tod des Vaters (1919), von ihnen über­nahm. In der Ibben­bü­re­ner Bevöl­ke­rung war er geach­tet, und sein Geschäft war vor der Macht­er­grei­fung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten sehr beliebt.

In der Aus­ga­be der Ibben­bü­re­ner Volks­zei­tung vom 22. Mai 1962 schreibt der frü­he­re Rek­tor August Ströh­mer in einem Arti­kel über die jüdi­schen Mit­bür­ger Ibben­bü­rens:

Der Vor­ste­her der jüdi­schen Gemein­de in Ibben­bü­ren war Juli­us Kauf­mann, Inha­ber eines Manu­fak­tur­ge­schäf­tes. Er wur­de Rab­bi­ner genannt, war aber nur Vor­be­ter und Vor­le­ser. In sei­nem beschei­de­nen und gepfleg­ten Äuße­ren und vor allem in sei­ner inne­ren Gesin­nung war er ein ehr­haft vor­neh­mer Mann. Jahr für Jahr klei­de­te er arme Erst­kom­mu­ni­on­kin­der umsonst ein, regel­mä­ßig unter­stütz­te er die kari­ta­ti­ven Ein­rich­tun­gen bei­der christ­li­cher Kon­fes­sio­nen. Trotz rei­cher Geld­mit­tel ist es ihm nicht gelun­gen, die ame­ri­ka­ni­sche Ein­rei­se­er­laub­nis zu erlan­gen, er wur­de 1941 nach The­re­si­en­stadt in das von der SS ver­wal­te­te Ghet­to ver­la­den und in Ausch­witz ver­gast.

In der jüdi­schen Gemein­de übte Kauf­mann seit 1913 das Amt des Vor­ste­hers aus, und auch die Orts­grup­pe des “Cen­tral­ver­eins deut­scher Staats­bür­ger jüdi­schen Glau­bens” (C.V.) stand unter sei­nem Vor­sitz. Fer­ner war Juli­us Kauf­mann Mit­glied des Ibben­bü­re­ner Jung­ge­sel­len-Schüt­zen­ver­eins.

Die Stif­te­rin eines Stol­per­stei­nes, den sie aus­drück­lich für Juli­us Kauf­mann bestim­men woll­te, berich­tet, dass Kauf­mann ihren Groß­el­tern ein güns­ti­ges Dar­le­hen zum Bau ihres Hau­ses gewährt habe, als öffent­li­che Kre­dit­in­sti­tu­te dazu nicht bereit waren. Dank­ba­re Erin­ne­rung ver­bin­det die Fami­lie seit­her mit dem Namen Juli­us Kauf­mann.

Seit der Macht­er­grei­fung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten im Janu­ar 1933 ver­schlech­ter­ten sich die Lebens­be­din­gun­gen für jüdi­sche Mit­bür­ger. Per Gesetz wur­den ihnen schon 1935 die Rech­te deut­scher Staats­bür­ger aberkannt. So steht auf der Mel­de­kar­te vom Weg­zug Juli­us Kauf­manns: “kein Reichs­bür­ger”. Durch Boy­kott­maß­nah­men gegen jüdi­sche Geschäf­te ent­zog der NS-Staat allen selbst­stän­di­gen jüdi­schen Hand­wer­kern und Händ­lern die Exis­tenz­grund­la­ge. Schon 1935 gab es in Ibben­bü­ren kei­ne jüdi­schen Metz­ger und Vieh­händ­ler mehr. Und auch die übri­gen Ein­zel­han­dels­ge­schäf­te konn­ten nicht län­ger bestehen. Wer bei Kauf­mann ein­kauf­te, ris­kier­te es, öffent­lich bloß­ge­stellt zu wer­den — auch in der Zei­tung. Ein Berg­mann berich­tet in einem Inter­view, dass die Preus­sag Stei­ger ent­las­sen hat, die bei dem Juden Kauf­mann gese­hen wur­den.

Juli­us Kauf­mann ver­kauf­te am 15.4.1937 sein Wohn- und Geschäfts­haus an einen Nach­barn, immer­hin noch zu einem Kauf­preis von zwei Drit­teln des tat­säch­li­chen Wer­tes. Wer spä­ter ver­kauf­te bzw. dazu gezwun­gen wur­de, muss­te weit höhe­re Ver­lus­te hin­neh­men.

Am 2.6.1937 zog Juli­us Kauf­mann nach Köln. Als Adres­se ist auf der Abmel­de­kar­te der Stadt Ibben­bü­ren ein­ge­tra­gen: Zül­pi­cher Stra­ße 84. Wie lan­ge er dort wohn­te, ist nicht bekannt, auch nicht, wel­che Anstren­gun­gen er unter­nom­men hat, um in die USA aus­zu­rei­sen. Jeden­falls: wer im Alter von 69 Jah­ren der­ar­ti­ge Flucht­plä­ne schmie­det, muss schon sehr ver­zwei­felt sein!

Die letz­te Anschrift von Juli­us Kauf­mann in Köln lau­tet: St.-Apern-Straße 29/31.

Für Juli­us Kauf­mann wur­den am 3. Novem­ber 2017 an der Adres­se Bahn­hof­stra­ße 21 in Ibben­bü­ren ein Stol­per­stein ver­legt.