Johannes, Johann und Klara Dieckmann

Klara Dieckmann, geb. Sax, wurde am 3.9.1892 in Aschendorf geboren. Am 16. Dezember 1912 bekam sie den Sohn Josef. 1918 heiratete sie den aus Brochterbeck stammenden Arbeiter Johann Dieckmann. Zur Hochzeit mit ihrem katholischen Mann hatte sie sich taufen lassen und konvertierte zum katholischen Glauben.
Weil ihre Eltern jedoch beide jüdischen Glaubens waren, galt sie trotz ihrer Taufe im Sinne der nationalsozialistischen Rassenlehre weiterhin als Jüdin. Da sie mit einem Christen verheiratet war, lebte sie laut Definition der Nazis in einer so genannten „Mischehe“. Ihr 1927 aus der Ehe hervor gegangener Sohn Johannes galt, obwohl römisch-katholisch getauft, als „Halbjude“, da seine Mutter jüdisch war. Am 15.9.1935 wurde von den Nazis das Reichsbürgergesetz verabschiedet und kurz darauf das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes“ und das „Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit“. Von den neuen Gesetzen waren alle Juden betroffen, keiner galt mehr als vollwertiger Reichsbürger. Für die Familie Dieckmann bedeuteten die neuen Gesetze eine unmittelbare Wende in ihrem Leben. Klara Dieckmann und ihr Sohn Johannes, geboren am 22.9.1927 in Rheine, galten fortan als jüdisch, das heißt als „nicht-arisch“.
Die Familie Dieckmann lebte in ärmlichen Verhältnissen in einer Baracke auf dem Dickenberg. Herr Dieckmann übte den Beruf eines Besenbinders aus, und seine Frau sorgte für den Verkauf der Produkte. Diese Wohnbaracke, gelegen an der Heinrich-Brockmann-Straße 8, war früher ein Wohnheim für Bergleute, und sie nannte sich „Villa Sonnenschein“. Sie gehörte seit 1919 zur Kohle-Pachtgrube Sonnenschein der Continental-Kautschuk- und Gutapercha-Gesellschaft in Hannover. Johann Dieckmann starb 1938 im Alter von erst 46 Jahren an einem Herzschlag. Damit erlosch der Status der Mischehe. Der Sohn Johannes wurde 1938 als Elfjähriger vom Jugendamt seiner Mutter weggenommen und in ein Kinderheim in Dorsten zwangseingewiesen. 1939 erhielt er einen Betreuungsplatz im Pflegeheim Haus Hall in Gescher. Klara Dieckmann wurde Ende 1941 auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei Münster verhaftet. Sie kam zunächst für einige Tage in das Judenhaus am Börnebrink in Hopsten. Am 13.12.1941 wurde sie über Münster in das Ghetto nach Riga deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Sie wurde mit großer Wahrscheinlichkeit bei einer der zahlreichen „Säuberungen“ im sogenannten Reichsjudenghetto oder den Exekutionen im Wald von Bikernieki ermordet. Ihr Sohn Josef wurde am 29. November 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.
1963 stellte Johannes Dieckmann beim Amtsgericht Ibbenbüren den Antrag auf Todeszeit-Feststellung seiner Mutter. Als Todestag wurde amtlicherseits der 31.12.1945 als fiktives Datum festgesetzt. Johannes Dieckmann blieb bis 1949 in Haus Hall in Gescher und wurde dort noch einmal von 1951 bis 1954 betreut. Über seinen weiteren Lebensweg ist uns (bisher) wenig bekannt. 2002 ermittelte eine Schülergruppe seinen Wohnort: „zurückgezogen auf einem Bauernhof bei Coesfeld“. Im Dezember 2013 zog er in das Altenpflegeheim Maria Veen in Reken, wo er am 24.4.2014 starb.
Für Johann, Klara und Johannes Dieckmann sind in am 23. Juni 2021 in Ibbenbüren an der Adresse Grube Sonnenschein Stolpersteine verlegt worden.