Familie David Rosenthal
Eine große Familie waren die Rosenthals in Ibbenbüren, in der Poststraße 7. Die Eltern, David Rosenthal, geboren am 12.1.1874 in Ibbenbüren und seine Ehefrau Regine, geborene Epstein. Regine Rosenthal kam am 24.4.1874 in Goch, Niederrhein, zur Welt. 1901 wurde in Gelsenkirchen geheiratet. Die beiden bekamen neun Kinder, nicht ungewöhnlich zu der Zeit.
Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus zum Ende der Weimarer Republik wurde die Situation für Bürger jüdischen Glaubens in Deutschland immer bedrohlicher. Nachdem die Nazis Ende Januar 1933 an die Macht gekommen waren, entschlossen sich Regine und David im April 1933, ihre Heimat zu verlassen und nach Holland zu flüchten. In Amsterdam, Verwandte hatten geholfen, fand man in der Jan Steenstraat eine neue Bleibe. Am 9.2.1943 wurden David und Regine zunächst nach Westerbork und dann nach Auschwitz deportiert. Beide wurden dort am 12.2.1943 ermordet.
Paul Rosenthal
wurde am 2.8.1902 in Ibbenbüren geboren, der Älteste von neun Kindern. Paul zog es bereits 1925 nach Olpe ins Sauerland. Paul und seine Schwester Ella hatten das Glück, die richtige Entscheidung zu treffen. Sie verließen 1936 den Kontinent und emigrierten nach Chile. Paul Rosenthal ist am 15.3.1986 in Chile gestorben.
Am 29.12.1903 wurden dem Ehepaar Rosenthal Zwillinge geboren, Herta und Harry Rosenthal. Herta zog im Januar 1928 nach Amsterdam. Wegen der Nähe und der verwandtschaftlichen Beziehungen wurden die Niederlande und Amsterdam zu einem Fluchtpunkt vieler Juden aus unserer Region. So auch Herta, die dort ihren Mann Gerrit Polak kennengelernt hatte.
Am 7. Februar 1929 wurde ihnen der Sohn Eduard geboren. Westerbork, das Internierungslager für Juden, war dann auch für die Polaks die nächste Station. Von dort wurden sie nach Auschwitz deportiert. Alle drei wurden dort am 21.1.1943 ermordet.
Harry Rosenthal
emigrierte am 4.4.1933 nach Amsterdam. Dort konnte er zunächst als Kaufmann arbeiten. Die Einkünfte reichten gerade mal zum Überleben. Ab 1941 lebte er in der Swammerdamstraat gemeinsam mit seiner niederländischen Frau Wilhelmina Voorzanger. Am 24.6.1942 wurden Harry und seine Frau vom Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz deportiert. Beide wurden dort ermordet. Harry am 13.8.1942, seine Frau Wilhelmina 6 Wochen später.
Herta Polak
war Harrys Zwillingsschwester. 1928 zog sie nach Amsterdam, wo sie Gerrit Polak heiratete. Beide bekamen einen Sohn namens Eduard, genannt Eddie. Über
Henny Rosenthal
wurde am 20.3.1905 in Gelsenkirchen geboren. Sie wuchs in Ibbenbüren auf, zog aber bereits am 16.4.1929 in die Niederlande. Auch sie wurde später nach Westerbork deportiert. Zwischen dem 2. März und dem 20. Juli 1943 verließen 19 Transportzüge Westerbork in Richtung Sobibor. In einem dieser Züge befand sich auch Henny. Bis auf wenige Ausnahmen fanden fast alle den Tod in der Gaskammer. Henny Rosenthal wurde am 16.7.1943 in diesem Vernichtungslager ermordet.
Ella Rosenthal
wurde am 18.8.1909 in Ibbenbüren geboren. Nur sie, Paul und Ernst haben den Holocaust überlebt. Paul und Ella hatten entschieden, den Kontinent zu verlassen und nach Chile zu emigrieren. Ella zog einen Tag nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, am 31.1.1933, zunächst nach Utrecht. 1936 ist sie dann nach Südamerika, Santiago de Chile, gereist. Sie heiratete dort ihren Verlobten Oskar Schattenfeld, der aus Karlsruhe stammte.
Ernst Rosenthal
wurde am 14.3.1907 in Ibbenbüren als fünftes Kind von acht Geschwistern geboren. Er war der einzige aus seiner Familie, der trotz Deportation dem Völkermord entkam. Zwei seiner Geschwister hatten sich durch Flucht nach Chile gerettet. Die Eltern und sechs Geschwister wurden ermordet. Ernst lebte seit 1922 wechselnd in Hamburg und Ibbenbüren. 1932 ging auch er nach Amsterdam, 1933 der Rest der Familie. Ab da lebte niemand mehr aus dieser Familie in Ibbenbüren. Ernst war 1980 zu Besuch in Ibbenbüren und sprach mit Frau Rieping von der IVZ und mit Frau Althoff, die Expertin in Fragen der Ibbenbürener Juden ist. Die Aufzeichnungen über dieses Treffen waren aber sehr unklar. Bei heutigen Nachforschungen, u. a. einem Besuch in Bergen-Belsen, wurde einiges klarer. Die ganze Familie stand dort im Gedenkbuch. Und der Transport am 7.4.1945 mit Ziel Theresienstadt war dort verzeichnet. Wahrscheinlich war jemandem wie Ernst, dessen Leben in letzter Minute gerettet wurde, vieles davon nicht wichtig, oder es wurde einfach verdrängte.
Ernst hatte Marianne Peeper in Amsterdam 1935 geheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder: Regina, geb. 1936 in Baarn und Gerrit, geb. 1939 in Amsterdam. 1943 wurde die ganze Familie in Westerbork interniert. Deportiert wurden sie am 16.2.1944 ins Konzentrationslager Bergen-Belsen. Nachdem der Bruder von Marianne an die Nazis 120.000 Gulden gezahlt hatte, kamen sie ins Austauschlager. Hier waren Juden, die mit Devisen gegen deutsche Kriegsgefangene u. a. ausgetauscht wurden; sie wurden erst einmal pfleglicher behandelt. Als die Britische Armee schon fast das Lager erreicht hatte, wurden 6.800 von ihnen in drei Züge verladen, die in Richtung Theresienstadt gingen. Nur ein Zug kam dort an und trug das Fleckfieber ins Lager. Der „verlorene Zug“ wurde in der Nähe von Tröbitz von der sowjetischen Armee gefunden und die Insassen sofort versorgt, v. a. medizinisch. Der Zug, in dem Ernst und Familie waren, blieb in Farsleben bei Magdeburg am 12. April 1945 liegen und wurde am 13.4. von den Amerikanern geöffnet. Im April 2020 sollte an der Bahnstrecke ein Denkmal gesetzt werden. Das verhinderte die Corona-Pandemie. Die Menschen aus dem „gestrandeten Zug“ wurden in die NS-Heeresversuchsanstalt in Hillerleben gebracht. Dort wurde die Kaserne geräumt oder war bereits leer, es gab alles, was durstige, hungrige, verdreckte, kranke und auch sterbende Menschen brauchten. Alle hatten Fleckfieber oder Typhus, viele von ihnen waren schon während der Zugfahrt gestorben und sind neben den Gleisen beerdigt worden. Ernst Rosenthal hat in den Ortsangaben Rätselhaftes und über die Zugfahrt wenig, eigentlich nichts berichtet. Eine andere Überlebende sagte später, es sei ein Blick in die Hölle gewesen. Ab hier setzten die Erinnerungen Ernst Rosenthals wieder ein. Über die Versorgung und den späteren Transport nach Amsterdam hat er berichtet. 1953 wurde er Bürger der Niederlande. Er starb am 18.6.1983.
Grete Hond
wurde am 22.5.1911 in Ibbenbüren geboren. Am 27.3.1928 ist Grete Rosenthal in die Niederlande gezogen. Nach ihrer Heirat zog sie mit ihrem Ehemann Salomon Hond in die Roerstraat in Amsterdam. Am 28.10.1938 bekamen die beiden einen Sohn, Rudi René. Am 7.8.1942 wurden sie zunächst nach Westerbork und von dort nach Auschwitz deportiert. Alle drei wurden noch am Tag ihrer Ankunft am 8.8.1942 ermordet.
Ilse Rosenthal
kam am 21.9.1913 zur Welt. Mit 19 Jahren verließ sie Deutschland und zog, wie Geschwister und Verwandte, nach Amsterdam. Sie arbeitete als Haushälterin, sie lebte allein. Als sie in Westerbork interniert wurde, war sie 29 Jahre alt. Ilse wurde von Westerbork nach Auschwitz deportiert, wo sie am 30.9.1942 ermordet wurde.

Heinrich Rosenthal
geboren am 5.10.1916, emigrierte 1933 im April in die Niederlande nach Amsterdam. Da war er 16 Jahre alt. 1936 verließ Heinz den europäischen Kontinent und ging mit seinem Bruder Paul und seinem Cousin Otto Ewald Rosenthal nach Santiago de Chile. Das Heimweh wurde ihnen zum Schicksal, denn Heinrich und sein Cousin kamen 1937 wieder zurück in die Niederlande. Sie wohnten zunächst in Deventer, später zog Heinrich dann aber wieder zu seinen Eltern nach Amsterdam, wo er als Buchdrucker arbeiten konnte. Am 27.5.1942 wurde Hochzeit gefeiert, Heinrich heiratete die 20-jährige Selma Citroen. Am 15.7.1942 wurde das Ehepaar von Westerbork nach Auschwitz deportiert. In diesem Transport saß auch Ilse, die Schwester von Heinrich. Heinrich und Selma starben am 30.9.1942 in Auschwitz.
Für David, Regine, Paul, Harry, Herta, Henny, Ernst, Ella Julia, Ilse und Heinrich Rosenthal, sowie Grete Hond wurden am 23. Juni 2021 an der Adresse Poststraße 7 in Ibbenbüren Stolpersteine verlegt.