KZ Theresienstadt

Familie Goldschmidt

Sal­ly Gold­schmidt (1904)

Nach dem Besuch der evan­ge­li­schen Schu­le, die sich damals neben der Chris­tus­kir­che befand, erlern­te Wal­ter Gold­schmidt das Metz­ger­hand­werk. Spä­ter über­nahm er gemein­sam mit sei­nem Bru­der Josef Gold­schmidt den Metz­ger­be­trieb des Vaters.

Nach­dem die Natio­nal­so­zia­lis­ten den Metz­gern jüdi­schen Glau­bens ver­bo­ten hat­ten, Vieh­han­del mit den Bau­ern zu trei­ben, ver­kauf­te Wal­ter Gold­schmidt nach dem Tod sei­nes Vaters Sal­ly Gold­schmidt 1936 die Metz­ge­rei. Der Ver­kaufs­preis wur­de von den Nazis vor­ge­schrie­ben. Wal­ter ver­ließ 1936 Deutsch­land. Er floh dann über Hol­land und Ita­li­en nach Süd­afri­ka. Sein Bru­der Josef ver­starb 1939 in Köln. Im glei­chen Jahr konn­te die Mut­ter, Rosa­lie Gold­schmidt, ihrem Sohn nach Süd­afri­ka fol­gen. Ihre Schwes­ter  Johan­na Rosen­thal wur­de 1942 nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Sie fand dort den Tod. Auch alle ande­ren Ver­wand­ten sind in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern ums Leben gekom­men.

1976 erhielt Wal­ter, genannt Kiki, eine Ein­la­dung sei­ner frü­he­ren Sport­ka­me­ra­den der ISV in sei­ne Hei­mat­stadt. Mit ihnen hat­te er in sei­ner Jugend vie­le Jah­re gemein­sam Fuß­ball gespielt. Im Sep­tem­ber 1981 besuch­te er auf Ein­la­dung sei­nes alten Freun­des Wil­li Ben­diek sei­ne Hei­mat­stadt zum zwei­ten Mal. Kiki ver­starb am 5.10.1983 in Worces­ter / Süd­afri­ka.

Für Sal­ly, Rosa­lie, Josef und Wal­ter, sowie Johan­na Rosen­thal wur­den am 6. Okto­ber 2016 an der Adres­se Unte­rer Markt 10 Stol­per­stei­ne ver­legt.

Familie Meyer und Rika Rosenthal

Gebäu­de an der dama­li­gen Adres­se Schul­stra­ße 2

Rechts neben der Syn­ago­ge stand das Wohn­haus der Fami­lie Rosen­thal: Mey­er Rosen­thal und sei­ne Ehe­frau Rika Rosen­thal wohn­ten dort mit ihrem Sohn Karl Rosen­thal. Von März bis Okto­ber 1936 leb­te Paul Abra­ham­sohn als Mie­ter in ihrem Haus, ihm gelang 1936 die Flucht nach Süd­afri­ka. Mey­er Rosen­thal war Vieh­händ­ler, der über­wie­gend mit Zie­gen han­del­te. Die Boy­kott­maß­nah­men des Jah­res 1935 schränk­ten sei­ne Berufs­aus­übung erheb­lich ein. Vor dem Wohn­haus stell­ten SA-Leu­te ein Schild auf: „Hier wohnt ein Vieh­ju­de. Kein Deut­scher han­delt mit ihm. Nur Lum­pen.“ Als direk­te Nach­barn hiel­ten die Rosenthals den Schlüs­sel der Syn­ago­ge in Ver­wah­rung, sie übten also den Küs­ter­dienst aus.

Der 25jährige Karl Rosen­thal wur­de nach dem Pogrom in Ibben­bü­ren am 9. und 10. Novem­ber 1938 mit gebro­che­nem Arm und Kopf­ver­let­zun­gen nicht etwa ins Kran­ken­haus, son­dern am 14. Novem­ber in das KZ Sach­sen­hau­sen ein­ge­wie­sen. Schutz­haft lau­te­te die ver­harm­lo­sen­de Bezeich­nung im Rah­men der „Juden­ak­ti­on“.

Wäh­rend sei­ne Eltern aus Alters­grün­den den Gedan­ken an eine Flucht ver­war­fen, berei­te­te sich Karl Rosen­thal nach sei­ner Ent­las­sung aus dem KZ auf die Aus­rei­se nach Paläs­ti­na vor. Von Juli bis Novem­ber 1939 nahm er an einem Schu­lungs­la­ger in Pader­born teil und reis­te danach über Wien auf einem Flücht­lings­schiff in Rich­tung Schwar­zes Meer. Doch der 2. Welt­krieg und die deut­sche Wehr­macht hol­ten die Flücht­lin­ge ein. Den Schif­fen wur­de die Wei­ter­fahrt ver­wei­gert; für die Flücht­lin­ge wur­de ein Gefan­ge­nen­la­ger in Šabac / Jugo­sla­wi­en errich­tet. Als Ver­gel­tungs­maß­nah­me für einen Par­ti­sa­nen­an­griff, bei dem 21 deut­sche Sol­da­ten getö­tet wur­den, erschoss die Wehr­macht am 11. Okto­ber 1941 alle 400 Gefan­ge­nen des Lagers in der Nähe des Ortes Zasa­vica.

Mitt­ler­wei­le war die Zahl der jüdi­schen Mit­bür­ger in Ibben­bü­ren von knapp 90 vor 1933 auf drei gesun­ken. Zwei von den ver­blie­be­nen waren Mey­er und Rika Rosen­thal, die ihr Haus ver­kau­fen muss­ten und Anfang 1942 völ­lig ver­arm­ten. Zwangs­wei­se muss­ten sie in das „Juden­haus“, eine Art Dorf-Ghet­to, in Hops­ten zie­hen, übri­gens zusam­men mit der drit­ten als „Jüdin“ bezeich­ne­ten Per­son, Kla­ra Dieck­mann, die zwar der katho­li­schen Kir­che ange­hör­te, aber durch die Ehe mit einem Juden eben­falls in das Ver­fol­gungs­pro­gramm der Natio­nal­so­zia­lis­ten geriet. Mey­er und Rika Rosen­thal wur­den dann im Juli 1942 nach The­re­si­en­stadt depor­tiert und im Sep­tem­ber des glei­chen Jah­res im Ver­nich­tungs­la­ger Treb­linka ermor­det.

An der heu­ti­gen Adres­se Syn­ago­gen­stra­ße 10, damals Schul­stra­ße 2 wur­den am 6. Okto­ber 2016 für Paul Abra­ham­son, Mey­er, Rika und Karl Rosen­thal vier Stol­per­stei­ne ver­legt.

Familie Louis Löwenstein

Lou­is Löwen­stein war rei­sen­der Tex­til-händ­ler. Ab 1936 hat­te er kaum noch Kun­den, er wur­de sys­te­ma­tisch boy­kot­tiert. In sei­ner Not nahm er für die Ernäh­rung der Fami­lie Hypo­the­ken auf. Im Mai 1938 ver­starb sei­ne Frau Johan­na Löwen­stein. Im glei­chen Jahr war er gezwun­gen, sein bau­fäl­li­ges Haus an die Stadt zu ver­kau­fen. In der „Reichs­kris­tall­nacht“ vom 9. Novem­ber 1938 begab sich der Mob zu sei­nem Haus gegen­über der Metz­ge­rei Agnis­chock. Mit Pflas­ter­stei­nen wur­den die Schei­ben ein­ge­wor­fen, man jag­te die Fami­lie auf die Stra­ße, zer­trüm­mer­te Hab und Gut. Im Kel­ler warf man vol­le Ein­mach­glä­ser an die Wand, alle Waren aus dem Lager­raum wur­den auf die Stra­ße geschmis­sen. 1939 bat Lou­is Löwen­stein den Bür­ger­meis­ter zum wie­der­hol­ten Mal, ihm end­lich das Geld für den Haus­ver­kauf zu geben.

Zu dem Zeit­punkt war er obdach­los, ohne Haus­halt und Möbel, außer­dem hat­te er 4000 Mark Schul­den. Toch­ter Hen­ri­et­te in Hameln nahm ihn auf, er wünsch­te sich die bal­di­ge Aus­wan­de­rung nach Paläs­ti­na. 1939 wur­de er mit sei­ner Toch­ter Rosa gewalt­sam nach Köln gebracht, 1942 in das KZ The­re­si­en­stadt depor­tiert und in Treb­linka ermor­det. Rosa Löwen­stein wur­de 1942 eben­falls depor­tiert, sie kam in das KZ The­re­si­en­stadt und wur­de dort ermor­det.

Hen­ri­et­te Kamen­etz­ky geb. Löwen­stein, führ­te mit ihrem Mann Salo­mon ein Schuh­ge­schäft in Hameln. Sohn Her­mann, gebo­ren 1920, konn­te 1934 nach Paläs­ti­na aus­rei­sen. Auf­grund des Boy­kotts jüdi­scher Kauf­leu­te muss­te das Geschäft 1936 schlie­ßen. 1938 wur­de die Aus­wei­sung nach Bent­schen in Polen ange­ord­net, weil Salo­mon pol­ni­scher Staats­bür­ger war. 1939 kamen Salo­mon, Hen­ri­et­te und die Toch­ter Eva, gebo­ren 1928, in das Ghet­to Woło­min. 1942 wur­den sie in das Ver­nich­tungs­la­ger Treb­linka depor­tiert und dort ermor­det.

Für Lou­is, Johan­na, Ber­tha (verh. Wein­berg), Rosa, Hen­ri­et­te (verh. Kamen­etz­ky) und Mat­hil­de Löwen­stein wur­den am 6. Okto­ber 2016 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 55 Stol­per­stei­ne ver­legt.

Julius Kaufmann

Juli­us Kauf­mann wur­de am 14. August 1868 in Ibben­bü­ren gebo­ren. Sei­ne Eltern Moses und Pau­li­ne Kauf­mann (gestor­ben 1910) führ­ten ein Tex­til­ge­schäft (“Manu­fak­tur­wa­ren”) in der Bahn­hof­stra­ße 21, das Juli­us, spä­tes­tens nach dem Tod des Vaters (1919), von ihnen über­nahm. In der Ibben­bü­re­ner Bevöl­ke­rung war er geach­tet, und sein Geschäft war vor der Macht­er­grei­fung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten sehr beliebt.

In der Aus­ga­be der Ibben­bü­re­ner Volks­zei­tung vom 22. Mai 1962 schreibt der frü­he­re Rek­tor August Ströh­mer in einem Arti­kel über die jüdi­schen Mit­bür­ger Ibben­bü­rens:

Der Vor­ste­her der jüdi­schen Gemein­de in Ibben­bü­ren war Juli­us Kauf­mann, Inha­ber eines Manu­fak­tur­ge­schäf­tes. Er wur­de Rab­bi­ner genannt, war aber nur Vor­be­ter und Vor­le­ser. In sei­nem beschei­de­nen und gepfleg­ten Äuße­ren und vor allem in sei­ner inne­ren Gesin­nung war er ein ehr­haft vor­neh­mer Mann. Jahr für Jahr klei­de­te er arme Erst­kom­mu­ni­on­kin­der umsonst ein, regel­mä­ßig unter­stütz­te er die kari­ta­ti­ven Ein­rich­tun­gen bei­der christ­li­cher Kon­fes­sio­nen. Trotz rei­cher Geld­mit­tel ist es ihm nicht gelun­gen, die ame­ri­ka­ni­sche Ein­rei­se­er­laub­nis zu erlan­gen, er wur­de 1941 nach The­re­si­en­stadt in das von der SS ver­wal­te­te Ghet­to ver­la­den und in Ausch­witz ver­gast.

In der jüdi­schen Gemein­de übte Kauf­mann seit 1913 das Amt des Vor­ste­hers aus, und auch die Orts­grup­pe des “Cen­tral­ver­eins deut­scher Staats­bür­ger jüdi­schen Glau­bens” (C.V.) stand unter sei­nem Vor­sitz. Fer­ner war Juli­us Kauf­mann Mit­glied des Ibben­bü­re­ner Jung­ge­sel­len-Schüt­zen­ver­eins.

Die Stif­te­rin eines Stol­per­stei­nes, den sie aus­drück­lich für Juli­us Kauf­mann bestim­men woll­te, berich­tet, dass Kauf­mann ihren Groß­el­tern ein güns­ti­ges Dar­le­hen zum Bau ihres Hau­ses gewährt habe, als öffent­li­che Kre­dit­in­sti­tu­te dazu nicht bereit waren. Dank­ba­re Erin­ne­rung ver­bin­det die Fami­lie seit­her mit dem Namen Juli­us Kauf­mann.

Seit der Macht­er­grei­fung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten im Janu­ar 1933 ver­schlech­ter­ten sich die Lebens­be­din­gun­gen für jüdi­sche Mit­bür­ger. Per Gesetz wur­den ihnen schon 1935 die Rech­te deut­scher Staats­bür­ger aberkannt. So steht auf der Mel­de­kar­te vom Weg­zug Juli­us Kauf­manns: “kein Reichs­bür­ger”. Durch Boy­kott­maß­nah­men gegen jüdi­sche Geschäf­te ent­zog der NS-Staat allen selbst­stän­di­gen jüdi­schen Hand­wer­kern und Händ­lern die Exis­tenz­grund­la­ge. Schon 1935 gab es in Ibben­bü­ren kei­ne jüdi­schen Metz­ger und Vieh­händ­ler mehr. Und auch die übri­gen Ein­zel­han­dels­ge­schäf­te konn­ten nicht län­ger bestehen. Wer bei Kauf­mann ein­kauf­te, ris­kier­te es, öffent­lich bloß­ge­stellt zu wer­den — auch in der Zei­tung. Ein Berg­mann berich­tet in einem Inter­view, dass die Preus­sag Stei­ger ent­las­sen hat, die bei dem Juden Kauf­mann gese­hen wur­den.

Juli­us Kauf­mann ver­kauf­te am 15.4.1937 sein Wohn- und Geschäfts­haus an einen Nach­barn, immer­hin noch zu einem Kauf­preis von zwei Drit­teln des tat­säch­li­chen Wer­tes. Wer spä­ter ver­kauf­te bzw. dazu gezwun­gen wur­de, muss­te weit höhe­re Ver­lus­te hin­neh­men.

Am 2.6.1937 zog Juli­us Kauf­mann nach Köln. Als Adres­se ist auf der Abmel­de­kar­te der Stadt Ibben­bü­ren ein­ge­tra­gen: Zül­pi­cher Stra­ße 84. Wie lan­ge er dort wohn­te, ist nicht bekannt, auch nicht, wel­che Anstren­gun­gen er unter­nom­men hat, um in die USA aus­zu­rei­sen. Jeden­falls: wer im Alter von 69 Jah­ren der­ar­ti­ge Flucht­plä­ne schmie­det, muss schon sehr ver­zwei­felt sein!

Die letz­te Anschrift von Juli­us Kauf­mann in Köln lau­tet: St.-Apern-Straße 29/31.

Für Juli­us Kauf­mann wur­den am 3. Novem­ber 2017 an der Adres­se Bahn­hof­stra­ße 21 in Ibben­bü­ren ein Stol­per­stein ver­legt.

Familie Calman Rosenthal und Familie Julius Ackermann

Johan­net­te Rosen­thal war die Wit­we von Cal­man Rosen­thal, der 1926 in Ibben­bü­ren starb und auf dem jüdi­schen Fried­hof bei­gesetzt wur­de. Wie vie­le ande­re Ver­folg­te jüdi­schen Glau­bens zog Johan­net­te Rosen­thal am 2.12.1938 nach Köln, und zwar in die Spi­chern­stra­ße 48. Sie starb in Köln am 11. Juni 1939.

Der Kauf­mann und Vieh­händ­ler Juli­us Acker­mann wur­de am 13.9.1901 in Wey­er / St. Goar­shau­sen (Rhein­land-Pfalz) gebo­ren. Juli­us Acker­mann war mit Hele­ne Acker­mann, gebo­re­ne Rosen­thal, ver­hei­ra­tet. Hele­ne Acker­mann kam am 4.4.1903 in Ibben­bü­ren zur Welt. Eben­falls zur Fami­lie gehör­te Erwin Acker­mann, gebo­ren am 15.1.1938 in Ibben­bü­ren, der Sohn von Hele­ne und Juli­us.

Nach der Reichs­po­grom­nacht und der Ver­wüs­tung der jüdi­schen Got­tes­häu­ser (9. / 10. Novem­ber 1938) wur­de Juli­us Acker­mann am 12.11.1938 in soge­nann­te “Schutz­haft” genom­men, nach kur­zer Zeit aber wie­der ent­las­sen. Am 5.4.1939 konn­te die Fami­lie Acker­mann, Juli­us und Hele­ne mit ihrem Sohn Erwin, auf die Phil­ip­pi­nen emi­grie­ren. Dadurch haben sie, noch vor Beginn des 2. Welt­krie­ges, ihr Leben ret­ten kön­nen. In Mani­la führ­te Erwin spä­ter als Erwach­se­ner ein Restau­rant. 1981 ist er nach Spo­ka­ne / USA aus­ge­wan­dert. Sei­ne Eltern folg­ten ihm spä­ter in die USA, und zwar nach New York.

Eli­se Acker­mann, die Mut­ter von Mar­tha und Juli­us, die am 7.7.1867 in Bles­sen­bach / Ober­lahn­kreis gebo­ren wur­de, wohn­te offi­zi­ell in Wey­er-St. Goar­shau­sen, hielt sich aber zum Zeit­punkt ihres Todes bei ihrer Fami­lie in Ibben­bü­ren auf. Eli­se Acker­mann starb am 8.5.1938 in Ibben­bü­ren. Die Todes­an­zei­ge wur­de vom St.-Elisabeth-Hospital auf­ge­ge­ben. Auch ihr Grab befin­det sich auf dem jüdi­schen Fried­hof in Ibben­bü­ren.

Mar­tha Rosen­thal, gebo­re­ne Acker­mann, die Schwes­ter von Juli­us, wur­de am 5.3.1911 eben­falls in Wey­er gebo­ren. Sie hat den Holo­caust nicht über­lebt. Sie zog am 8.12.1938 von Ibben­bü­ren zunächst nach Köln. Spä­ter flüch­te­te sie in die Nie­der­lan­de. Am 6.3.1940 wur­de sie dort inhaf­tiert und in das Sam­mel­la­ger Wes­ter­bork ver­bracht. Dort war sie bis zum 4.9.1944, danach im Ghet­to The­re­si­en­stadt, ab 23.10.1944 im Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz, wo sie ermor­det wor­den ist.

Erich und Mar­tha Rosen­thal

Der Vieh­händ­ler Erich Rosen­thal, am 23.7.1904 in Ibben­bü­ren gebo­ren, wohn­te eben­falls in der Gro­ßen Stra­ße 69. Er war mit Mar­tha Rosen­thal, geb. Acker­mann ver­hei­ra­tet. Ihr Sohn Karl Cal­man wur­de am 8.4.1938 gebo­ren. Da die Situa­ti­on der jüdi­schen Bevöl­ke­rung durch die bru­ta­len Über­grif­fe der Nazis immer bedroh­li­cher wur­de (wie Juli­us Acker­mann wur­de auch Erich Rosen­thal für etwa zwei Wochen in “Schutz­haft” genom­men), such­te die Fami­lie durch einen Umzug nach Köln, in die rela­ti­ve Anony­mi­tät der Groß­stadt, eine Lösung. Im Novem­ber / Dezem­ber 1938 war eine Blei­be in der Lüt­zow­stra­ße in Köln gefun­den. Von dort führ­te der Flucht­weg wei­ter nach Hol­land.

Am 6. März 1940 erfolg­te die Inhaf­tie­rung und der Trans­port der Fami­lie in das Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork, wo ihre Toch­ter Lie­sel gebo­ren wur­de. Der Auf­ent­halt dau­er­te bis zum Sep­tem­ber 1944.

Am 4. Sep­tem­ber 1944 wur­den Erich, Mar­tha, Karl und Lie­sel mit dem Sam­mel-Trans­port Trans­port XXIV/7, Nr. 589, zunächst nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Am 23. Okto­ber 1944 wur­den die Rosenthals mit dem Trans­port Et, nr. 511, nach Ausch­witz ver­bracht,[2] wo Mar­tha, Karl und Lie­sel umge­hend in einer der letz­ten Ver­ga­sun­gen am 25. Okto­ber 1944 ermor­det wur­den. Erich Rosen­thal wur­de am 13. Janu­ar 1945 im KZ-Außen­la­ger Gol­le­schau ermor­det.

Wal­ter, Wer­ner und Irma Rosen­thal konn­ten sich dem Zugriff der Nazis durch die Emi­gra­ti­on in die USA ent­zie­hen. Wal­ter floh am 8.8.1934 zunächst nach Wes­se­ling bei Köln. Von dort ist ihm dann die Ein­rei­se in die USA gelun­gen. 1949 war er in Flo­ra, Kan­sas gemel­det. Wal­ter starb am 21.01.1965. Wer­ner Rosen­thal emi­grier­te am 31.1.1936. Er leb­te wie Wal­ter in Flo­ra. Sein wei­te­res Schick­sal ist uns nicht bekannt. Irma Rosen­thal konn­te am 11.10.1937 in die USA emi­grie­ren. Über New York ging ihr Weg dann eben­so nach Flo­ra, Kan­sas. Dort hei­ra­te­te sie Wal­ter Wein­berg.

Für Juli­us, Hele­ne, Erwin und Eli­se Acker­mann, sowie Joha­net­te, Erich, Mar­tha, Karl C., Wal­ter, Wer­ner und Irma Rosen­thal wur­den für den 3. Novem­ber 2017 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 69 in Ibben­bü­ren eine Stol­per­stein­ver­le­gung geplant, die am 9. Novem­ber 2018 nach­ge­holt wur­de. Für Lie­sel Rosen­thal folg­te am 9. Novem­ber 2024 ein wei­te­rer Stol­per­stein.

 

Johannes, Johann und Klara Dieckmann

Clara Sax auf einem undatierten Gruppenfoto, veroffentlicht auf Stolpersteine in Papenburg
Cla­ra Sax auf einem unda­tier­ten Grup­pen­fo­to, ver­of­fent­licht auf Stol­per­stei­ne in Papen­burg

Kla­ra Dieck­mann, geb. Sax, wur­de am 3.9.1892 in Aschen­dorf gebo­ren. Am 16. Dezem­ber 1912 bekam sie den Sohn Josef. 1918 hei­ra­te­te sie den aus Broch­ter­beck stam­men­den Arbei­ter Johann Dieck­mann. Zur Hoch­zeit mit ihrem katho­li­schen Mann hat­te sie sich tau­fen las­sen und kon­ver­tier­te zum katho­li­schen Glau­ben.

Weil ihre Eltern jedoch bei­de jüdi­schen Glau­bens waren, galt sie trotz ihrer Tau­fe im Sin­ne der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ras­sen­leh­re wei­ter­hin als Jüdin. Da sie mit einem Chris­ten ver­hei­ra­tet war, leb­te sie laut Defi­ni­ti­on der Nazis in einer so genann­ten „Misch­ehe“. Ihr 1927 aus der Ehe her­vor gegan­ge­ner Sohn Johan­nes galt, obwohl römisch-katho­lisch getauft, als „Halb­ju­de“, da sei­ne Mut­ter jüdisch war. Am 15.9.1935 wur­de von den Nazis das Reichs­bür­ger­ge­setz ver­ab­schie­det und kurz dar­auf das „Gesetz zum Schutz des deut­schen Blu­tes“ und das „Gesetz zum Schutz der Erb­ge­sund­heit“. Von den neu­en Geset­zen waren alle Juden betrof­fen, kei­ner galt mehr als voll­wer­ti­ger Reichs­bür­ger. Für die Fami­lie Dieck­mann bedeu­te­ten die neu­en Geset­ze eine unmit­tel­ba­re Wen­de in ihrem Leben. Kla­ra Dieck­mann und ihr Sohn Johan­nes, gebo­ren am 22.9.1927 in Rhei­ne, gal­ten fort­an als jüdisch, das heißt als „nicht-arisch“.

Die Fami­lie Dieck­mann leb­te in ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen in einer Bara­cke auf dem Dicken­berg. Herr Dieck­mann übte den Beruf eines Besen­bin­ders aus, und sei­ne Frau sorg­te für den Ver­kauf der Pro­duk­te. Die­se Wohn­ba­ra­cke, gele­gen an der Hein­rich-Brock­mann-Stra­ße 8, war frü­her ein Wohn­heim für Berg­leu­te, und sie nann­te sich „Vil­la Son­nen­schein“. Sie gehör­te seit 1919 zur Koh­le-Pacht­gru­be Son­nen­schein der Con­ti­nen­tal-Kau­tschuk- und Gut­aper­cha-Gesell­schaft in Han­no­ver. Johann Dieck­mann starb 1938 im Alter von erst 46 Jah­ren an einem Herz­schlag. Damit erlosch der Sta­tus der Misch­ehe. Der Sohn Johan­nes wur­de 1938 als Elf­jäh­ri­ger vom Jugend­amt sei­ner Mut­ter weg­ge­nom­men und in ein Kin­der­heim in Dors­ten zwangs­ein­ge­wie­sen. 1939 erhielt er einen Betreu­ungs­platz im Pfle­ge­heim Haus Hall in Gescher. Kla­ra Dieck­mann wur­de Ende 1941 auf Ver­an­las­sung der Gehei­men Staats­po­li­zei Müns­ter ver­haf­tet. Sie kam zunächst für eini­ge Tage in das Juden­haus am Bör­ne­brink in Hops­ten. Am 13.12.1941 wur­de sie über Müns­ter in das Ghet­to nach Riga depor­tiert. Dort ver­liert sich ihre Spur. Sie wur­de mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit bei einer der zahl­rei­chen „Säu­be­run­gen“ im soge­nann­ten Reichs­ju­den­ghet­to oder den Exe­ku­tio­nen im Wald von Bikernie­ki ermor­det. Ihr Sohn Josef wur­de am 29. Novem­ber 1942 im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger The­re­si­en­stadt ermor­det.

1963 stell­te Johan­nes Dieck­mann beim Amts­ge­richt Ibben­bü­ren den Antrag auf Todes­zeit-Fest­stel­lung sei­ner Mut­ter. Als Todes­tag wur­de amt­li­cher­seits der 31.12.1945 als fik­ti­ves Datum fest­ge­setzt. Johan­nes Dieck­mann blieb bis 1949 in Haus Hall in Gescher und wur­de dort noch ein­mal von 1951 bis 1954 betreut. Über sei­nen wei­te­ren Lebens­weg ist uns (bis­her) wenig bekannt. 2002 ermit­tel­te eine Schü­ler­grup­pe sei­nen Wohn­ort: „zurück­ge­zo­gen auf einem Bau­ern­hof bei Coes­feld“. Im Dezem­ber 2013 zog er in das Alten­pfle­ge­heim Maria Veen in Reken, wo er am 24.4.2014 starb.

Für Johann, Kla­ra und Johan­nes Dieck­mann sind in am 23. Juni 2021 in Ibben­bü­ren an der Adres­se Gru­be Son­nen­schein Stol­per­stei­ne ver­legt wor­den.

Liesel Rosenthal

Lie­sel Rosen­thal kam am 29. März 1944 als Toch­ter von Mar­tha und Erich Rosen­thal im Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork zur Welt, nach­dem ihre Fami­lie bereits aus Ibben­bü­ren und Köln geflo­hen und am 3. Janu­ar 1939 nach Rot­ter­dam geflüch­tet war.

Von dort aus wur­de die Fami­lie am 6. März 1940 nach Wes­ter­bork depor­tiert. Das Lager Wes­ter­bork weck­te bei vie­len Inhaf­tier­ten eine trü­ge­ri­sche Atmo­sphä­re, dass ihr Schick­sal sich güns­tig gefügt habe: Das Lager ver­füg­te über eine Kran­ken­sta­ti­on und eine Schu­le für die Kin­der. Die Inhaf­tier­ten genos­sen Frei­hei­ten, die sie zuvor mit­un­ter nicht hat­ten. Dies mag erklä­ren, wie Mar­tha und Erich Rosen­thal im Lager dazu kamen, ein wei­te­res Kind zu bekom­men.

Lie­sel hat­te einen älte­ren Bru­der namens Karl, gebo­ren am 8. April 1938. Am 4. Sep­tem­ber 1944 wur­den Erich, Mar­tha, Karl und Lie­sel mit einem Sam­mel­trans­port zunächst nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Am 23. Okto­ber 1944 wur­den die Rosenthals nach Ausch­witz ver­bracht, wo Mar­tha, Karl und Lie­sel umge­hend in einer der letz­ten Ver­ga­sun­gen am 25. Okto­ber 1944 ermor­det wur­den. Erich Rosen­thal wur­de am 13. Janu­ar 1945 im KZ-Außen­la­ger Gol­le­schau ermor­det.

Für Lie­sel Rosen­thal wur­de am 9. Novem­ber 2024 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 69 in Ibben­bü­ren ein Stol­per­stein ver­legt.