Nach dem Besuch der evangelischen Schule, die sich damals neben der Christuskirche befand, erlernte Walter Goldschmidt das Metzgerhandwerk. Später übernahm er gemeinsam mit seinem Bruder Josef Goldschmidt den Metzgerbetrieb des Vaters.
Nachdem die Nationalsozialisten den Metzgern jüdischen Glaubens verboten hatten, Viehhandel mit den Bauern zu treiben, verkaufte Walter Goldschmidt nach dem Tod seines Vaters Sally Goldschmidt 1936 die Metzgerei. Der Verkaufspreis wurde von den Nazis vorgeschrieben. Walter verließ 1936 Deutschland. Er floh dann über Holland und Italien nach Südafrika. Sein Bruder Josef verstarb 1939 in Köln. Im gleichen Jahr konnte die Mutter, Rosalie Goldschmidt, ihrem Sohn nach Südafrika folgen. Ihre Schwester Johanna Rosenthal wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie fand dort den Tod. Auch alle anderen Verwandten sind in Konzentrationslagern ums Leben gekommen.
1976 erhielt Walter, genannt Kiki, eine Einladung seiner früheren Sportkameraden der ISV in seine Heimatstadt. Mit ihnen hatte er in seiner Jugend viele Jahre gemeinsam Fußball gespielt. Im September 1981 besuchte er auf Einladung seines alten Freundes Willi Bendiek seine Heimatstadt zum zweiten Mal. Kiki verstarb am 5.10.1983 in Worcester / Südafrika.
Für Sally, Rosalie, Josef und Walter, sowie Johanna Rosenthal wurden am 6. Oktober 2016 an der Adresse Unterer Markt 10 Stolpersteine verlegt.
Gebäude an der damaligen Adresse Schulstraße 2
Rechts neben der Synagoge stand das Wohnhaus der Familie Rosenthal: Meyer Rosenthal und seine Ehefrau Rika Rosenthal wohnten dort mit ihrem Sohn Karl Rosenthal. Von März bis Oktober 1936 lebte Paul Abrahamsohn als Mieter in ihrem Haus, ihm gelang 1936 die Flucht nach Südafrika. Meyer Rosenthal war Viehhändler, der überwiegend mit Ziegen handelte. Die Boykottmaßnahmen des Jahres 1935 schränkten seine Berufsausübung erheblich ein. Vor dem Wohnhaus stellten SA-Leute ein Schild auf: „Hier wohnt ein Viehjude. Kein Deutscher handelt mit ihm. Nur Lumpen.“ Als direkte Nachbarn hielten die Rosenthals den Schlüssel der Synagoge in Verwahrung, sie übten also den Küsterdienst aus.
Der 25jährige Karl Rosenthal wurde nach dem Pogrom in Ibbenbüren am 9. und 10. November 1938 mit gebrochenem Arm und Kopfverletzungen nicht etwa ins Krankenhaus, sondern am 14. November in das KZ Sachsenhausen eingewiesen. Schutzhaft lautete die verharmlosende Bezeichnung im Rahmen der „Judenaktion“.
Während seine Eltern aus Altersgründen den Gedanken an eine Flucht verwarfen, bereitete sich Karl Rosenthal nach seiner Entlassung aus dem KZ auf die Ausreise nach Palästina vor. Von Juli bis November 1939 nahm er an einem Schulungslager in Paderborn teil und reiste danach über Wien auf einem Flüchtlingsschiff in Richtung Schwarzes Meer. Doch der 2. Weltkrieg und die deutsche Wehrmacht holten die Flüchtlinge ein. Den Schiffen wurde die Weiterfahrt verweigert; für die Flüchtlinge wurde ein Gefangenenlager in Šabac / Jugoslawien errichtet. Als Vergeltungsmaßnahme für einen Partisanenangriff, bei dem 21 deutsche Soldaten getötet wurden, erschoss die Wehrmacht am 11. Oktober 1941 alle 400 Gefangenen des Lagers in der Nähe des Ortes Zasavica.
Mittlerweile war die Zahl der jüdischen Mitbürger in Ibbenbüren von knapp 90 vor 1933 auf drei gesunken. Zwei von den verbliebenen waren Meyer und Rika Rosenthal, die ihr Haus verkaufen mussten und Anfang 1942 völlig verarmten. Zwangsweise mussten sie in das „Judenhaus“, eine Art Dorf-Ghetto, in Hopsten ziehen, übrigens zusammen mit der dritten als „Jüdin“ bezeichneten Person, Klara Dieckmann, die zwar der katholischen Kirche angehörte, aber durch die Ehe mit einem Juden ebenfalls in das Verfolgungsprogramm der Nationalsozialisten geriet. Meyer und Rika Rosenthal wurden dann im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und im September des gleichen Jahres im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
An der heutigen Adresse Synagogenstraße 10, damals Schulstraße 2 wurden am 6. Oktober 2016 für Paul Abrahamson, Meyer, Rika und Karl Rosenthal vier Stolpersteine verlegt.
Louis Löwenstein war reisender Textil-händler. Ab 1936 hatte er kaum noch Kunden, er wurde systematisch boykottiert. In seiner Not nahm er für die Ernährung der Familie Hypotheken auf. Im Mai 1938 verstarb seine Frau Johanna Löwenstein. Im gleichen Jahr war er gezwungen, sein baufälliges Haus an die Stadt zu verkaufen. In der „Reichskristallnacht“ vom 9. November 1938 begab sich der Mob zu seinem Haus gegenüber der Metzgerei Agnischock. Mit Pflastersteinen wurden die Scheiben eingeworfen, man jagte die Familie auf die Straße, zertrümmerte Hab und Gut. Im Keller warf man volle Einmachgläser an die Wand, alle Waren aus dem Lagerraum wurden auf die Straße geschmissen. 1939 bat Louis Löwenstein den Bürgermeister zum wiederholten Mal, ihm endlich das Geld für den Hausverkauf zu geben.
Zu dem Zeitpunkt war er obdachlos, ohne Haushalt und Möbel, außerdem hatte er 4000 Mark Schulden. Tochter Henriette in Hameln nahm ihn auf, er wünschte sich die baldige Auswanderung nach Palästina. 1939 wurde er mit seiner Tochter Rosa gewaltsam nach Köln gebracht, 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert und in Treblinka ermordet. Rosa Löwenstein wurde 1942 ebenfalls deportiert, sie kam in das KZ Theresienstadt und wurde dort ermordet.
Henriette Kamenetzky geb. Löwenstein, führte mit ihrem Mann Salomon ein Schuhgeschäft in Hameln. Sohn Hermann, geboren 1920, konnte 1934 nach Palästina ausreisen. Aufgrund des Boykotts jüdischer Kaufleute musste das Geschäft 1936 schließen. 1938 wurde die Ausweisung nach Bentschen in Polen angeordnet, weil Salomon polnischer Staatsbürger war. 1939 kamen Salomon, Henriette und die Tochter Eva, geboren 1928, in das Ghetto Wołomin. 1942 wurden sie in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.
Für Louis, Johanna, Bertha (verh. Weinberg), Rosa, Henriette (verh. Kamenetzky) und Mathilde Löwenstein wurden am 6. Oktober 2016 an der Adresse Große Straße 55 Stolpersteine verlegt.
Julius Kaufmann wurde am 14. August 1868 in Ibbenbüren geboren. Seine Eltern Moses und Pauline Kaufmann (gestorben 1910) führten ein Textilgeschäft (“Manufakturwaren”) in der Bahnhofstraße 21, das Julius, spätestens nach dem Tod des Vaters (1919), von ihnen übernahm. In der Ibbenbürener Bevölkerung war er geachtet, und sein Geschäft war vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten sehr beliebt.
Der Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Ibbenbüren war Julius Kaufmann, Inhaber eines Manufakturgeschäftes. Er wurde Rabbiner genannt, war aber nur Vorbeter und Vorleser. In seinem bescheidenen und gepflegten Äußeren und vor allem in seiner inneren Gesinnung war er ein ehrhaft vornehmer Mann. Jahr für Jahr kleidete er arme Erstkommunionkinder umsonst ein, regelmäßig unterstützte er die karitativen Einrichtungen beider christlicher Konfessionen. Trotz reicher Geldmittel ist es ihm nicht gelungen, die amerikanische Einreiseerlaubnis zu erlangen, er wurde 1941 nach Theresienstadt in das von der SS verwaltete Ghetto verladen und in Auschwitz vergast.
In der jüdischen Gemeinde übte Kaufmann seit 1913 das Amt des Vorstehers aus, und auch die Ortsgruppe des “Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens” (C.V.) stand unter seinem Vorsitz. Ferner war Julius Kaufmann Mitglied des Ibbenbürener Junggesellen-Schützenvereins.
Die Stifterin eines Stolpersteines, den sie ausdrücklich für Julius Kaufmann bestimmen wollte, berichtet, dass Kaufmann ihren Großeltern ein günstiges Darlehen zum Bau ihres Hauses gewährt habe, als öffentliche Kreditinstitute dazu nicht bereit waren. Dankbare Erinnerung verbindet die Familie seither mit dem Namen Julius Kaufmann.
Seit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 verschlechterten sich die Lebensbedingungen für jüdische Mitbürger. Per Gesetz wurden ihnen schon 1935 die Rechte deutscher Staatsbürger aberkannt. So steht auf der Meldekarte vom Wegzug Julius Kaufmanns: “kein Reichsbürger”. Durch Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte entzog der NS-Staat allen selbstständigen jüdischen Handwerkern und Händlern die Existenzgrundlage. Schon 1935 gab es in Ibbenbüren keine jüdischen Metzger und Viehhändler mehr. Und auch die übrigen Einzelhandelsgeschäfte konnten nicht länger bestehen. Wer bei Kaufmann einkaufte, riskierte es, öffentlich bloßgestellt zu werden — auch in der Zeitung. Ein Bergmann berichtet in einem Interview, dass die Preussag Steiger entlassen hat, die bei dem Juden Kaufmann gesehen wurden.
Julius Kaufmann verkaufte am 15.4.1937 sein Wohn- und Geschäftshaus an einen Nachbarn, immerhin noch zu einem Kaufpreis von zwei Dritteln des tatsächlichen Wertes. Wer später verkaufte bzw. dazu gezwungen wurde, musste weit höhere Verluste hinnehmen.
Am 2.6.1937 zog Julius Kaufmann nach Köln. Als Adresse ist auf der Abmeldekarte der Stadt Ibbenbüren eingetragen: Zülpicher Straße 84. Wie lange er dort wohnte, ist nicht bekannt, auch nicht, welche Anstrengungen er unternommen hat, um in die USA auszureisen. Jedenfalls: wer im Alter von 69 Jahren derartige Fluchtpläne schmiedet, muss schon sehr verzweifelt sein!
Johannette Rosenthal war die Witwe von Calman Rosenthal, der 1926 in Ibbenbüren starb und auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde. Wie viele andere Verfolgte jüdischen Glaubens zog Johannette Rosenthal am 2.12.1938 nach Köln, und zwar in die Spichernstraße 48. Sie starb in Köln am 11. Juni 1939.
Der Kaufmann und Viehhändler Julius Ackermann wurde am 13.9.1901 in Weyer / St. Goarshausen (Rheinland-Pfalz) geboren. Julius Ackermann war mit Helene Ackermann, geborene Rosenthal, verheiratet. Helene Ackermann kam am 4.4.1903 in Ibbenbüren zur Welt. Ebenfalls zur Familie gehörte Erwin Ackermann, geboren am 15.1.1938 in Ibbenbüren, der Sohn von Helene und Julius.
Nach der Reichspogromnacht und der Verwüstung der jüdischen Gotteshäuser (9. / 10. November 1938) wurde Julius Ackermann am 12.11.1938 in sogenannte “Schutzhaft” genommen, nach kurzer Zeit aber wieder entlassen. Am 5.4.1939 konnte die Familie Ackermann, Julius und Helene mit ihrem Sohn Erwin, auf die Philippinen emigrieren. Dadurch haben sie, noch vor Beginn des 2. Weltkrieges, ihr Leben retten können. In Manila führte Erwin später als Erwachsener ein Restaurant. 1981 ist er nach Spokane / USA ausgewandert. Seine Eltern folgten ihm später in die USA, und zwar nach New York.
Elise Ackermann, die Mutter von Martha und Julius, die am 7.7.1867 in Blessenbach / Oberlahnkreis geboren wurde, wohnte offiziell in Weyer-St. Goarshausen, hielt sich aber zum Zeitpunkt ihres Todes bei ihrer Familie in Ibbenbüren auf. Elise Ackermann starb am 8.5.1938 in Ibbenbüren. Die Todesanzeige wurde vom St.-Elisabeth-Hospital aufgegeben. Auch ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Ibbenbüren.
Martha Rosenthal, geborene Ackermann, die Schwester von Julius, wurde am 5.3.1911 ebenfalls in Weyer geboren. Sie hat den Holocaust nicht überlebt. Sie zog am 8.12.1938 von Ibbenbüren zunächst nach Köln. Später flüchtete sie in die Niederlande. Am 6.3.1940 wurde sie dort inhaftiert und in das Sammellager Westerbork verbracht. Dort war sie bis zum 4.9.1944, danach im Ghetto Theresienstadt, ab 23.10.1944 im Vernichtungslager Auschwitz, wo sie ermordet worden ist.
Erich und Martha Rosenthal
Der Viehhändler Erich Rosenthal, am 23.7.1904 in Ibbenbüren geboren, wohnte ebenfalls in der Großen Straße 69. Er war mit Martha Rosenthal, geb. Ackermann verheiratet. Ihr Sohn Karl Calman wurde am 8.4.1938 geboren. Da die Situation der jüdischen Bevölkerung durch die brutalen Übergriffe der Nazis immer bedrohlicher wurde (wie Julius Ackermann wurde auch Erich Rosenthal für etwa zwei Wochen in “Schutzhaft” genommen), suchte die Familie durch einen Umzug nach Köln, in die relative Anonymität der Großstadt, eine Lösung. Im November / Dezember 1938 war eine Bleibe in der Lützowstraße in Köln gefunden. Von dort führte der Fluchtweg weiter nach Holland.
Am 6. März 1940 erfolgte die Inhaftierung und der Transport der Familie in das Durchgangslager Westerbork, wo ihre Tochter Liesel geboren wurde. Der Aufenthalt dauerte bis zum September 1944.
Am 4. September 1944 wurden Erich, Martha, Karl und Liesel mit dem Sammel-Transport Transport XXIV/7, Nr. 589, zunächst nach Theresienstadt deportiert. Am 23. Oktober 1944 wurden die Rosenthals mit dem Transport Et, nr. 511, nach Auschwitz verbracht,[2] wo Martha, Karl und Liesel umgehend in einer der letzten Vergasungen am 25. Oktober 1944 ermordet wurden. Erich Rosenthal wurde am 13. Januar 1945 im KZ-Außenlager Golleschau ermordet.
Walter, Werner und Irma Rosenthal konnten sich dem Zugriff der Nazis durch die Emigration in die USA entziehen. Walter floh am 8.8.1934 zunächst nach Wesseling bei Köln. Von dort ist ihm dann die Einreise in die USA gelungen. 1949 war er in Flora, Kansas gemeldet. Walter starb am 21.01.1965. Werner Rosenthal emigrierte am 31.1.1936. Er lebte wie Walter in Flora. Sein weiteres Schicksal ist uns nicht bekannt. Irma Rosenthal konnte am 11.10.1937 in die USA emigrieren. Über New York ging ihr Weg dann ebenso nach Flora, Kansas. Dort heiratete sie Walter Weinberg.
Für Julius, Helene, Erwin und Elise Ackermann, sowie Johanette, Erich, Martha, Karl C., Walter, Werner und Irma Rosenthal wurden für den 3. November 2017 an der Adresse Große Straße 69 in Ibbenbüren eine Stolpersteinverlegung geplant, die am 9. November 2018 nachgeholt wurde. Für Liesel Rosenthal folgte am 9. November 2024 ein weiterer Stolperstein.
Klara Dieckmann, geb. Sax, wurde am 3.9.1892 in Aschendorf geboren. Am 16. Dezember 1912 bekam sie den Sohn Josef. 1918 heiratete sie den aus Brochterbeck stammenden Arbeiter Johann Dieckmann. Zur Hochzeit mit ihrem katholischen Mann hatte sie sich taufen lassen und konvertierte zum katholischen Glauben.
Weil ihre Eltern jedoch beide jüdischen Glaubens waren, galt sie trotz ihrer Taufe im Sinne der nationalsozialistischen Rassenlehre weiterhin als Jüdin. Da sie mit einem Christen verheiratet war, lebte sie laut Definition der Nazis in einer so genannten „Mischehe“. Ihr 1927 aus der Ehe hervor gegangener Sohn Johannes galt, obwohl römisch-katholisch getauft, als „Halbjude“, da seine Mutter jüdisch war. Am 15.9.1935 wurde von den Nazis das Reichsbürgergesetz verabschiedet und kurz darauf das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes“ und das „Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit“. Von den neuen Gesetzen waren alle Juden betroffen, keiner galt mehr als vollwertiger Reichsbürger. Für die Familie Dieckmann bedeuteten die neuen Gesetze eine unmittelbare Wende in ihrem Leben. Klara Dieckmann und ihr Sohn Johannes, geboren am 22.9.1927 in Rheine, galten fortan als jüdisch, das heißt als „nicht-arisch“.
Die Familie Dieckmann lebte in ärmlichen Verhältnissen in einer Baracke auf dem Dickenberg. Herr Dieckmann übte den Beruf eines Besenbinders aus, und seine Frau sorgte für den Verkauf der Produkte. Diese Wohnbaracke, gelegen an der Heinrich-Brockmann-Straße 8, war früher ein Wohnheim für Bergleute, und sie nannte sich „Villa Sonnenschein“. Sie gehörte seit 1919 zur Kohle-Pachtgrube Sonnenschein der Continental-Kautschuk- und Gutapercha-Gesellschaft in Hannover. Johann Dieckmann starb 1938 im Alter von erst 46 Jahren an einem Herzschlag. Damit erlosch der Status der Mischehe. Der Sohn Johannes wurde 1938 als Elfjähriger vom Jugendamt seiner Mutter weggenommen und in ein Kinderheim in Dorsten zwangseingewiesen. 1939 erhielt er einen Betreuungsplatz im Pflegeheim Haus Hall in Gescher. Klara Dieckmann wurde Ende 1941 auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei Münster verhaftet. Sie kam zunächst für einige Tage in das Judenhaus am Börnebrink in Hopsten. Am 13.12.1941 wurde sie über Münster in das Ghetto nach Riga deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Sie wurde mit großer Wahrscheinlichkeit bei einer der zahlreichen „Säuberungen“ im sogenannten Reichsjudenghetto oder den Exekutionen im Wald von Bikernieki ermordet. Ihr Sohn Josef wurde am 29. November 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.
1963 stellte Johannes Dieckmann beim Amtsgericht Ibbenbüren den Antrag auf Todeszeit-Feststellung seiner Mutter. Als Todestag wurde amtlicherseits der 31.12.1945 als fiktives Datum festgesetzt. Johannes Dieckmann blieb bis 1949 in Haus Hall in Gescher und wurde dort noch einmal von 1951 bis 1954 betreut. Über seinen weiteren Lebensweg ist uns (bisher) wenig bekannt. 2002 ermittelte eine Schülergruppe seinen Wohnort: „zurückgezogen auf einem Bauernhof bei Coesfeld“. Im Dezember 2013 zog er in das Altenpflegeheim Maria Veen in Reken, wo er am 24.4.2014 starb.
Für Johann, Klara und Johannes Dieckmann sind in am 23. Juni 2021 in Ibbenbüren an der Adresse Grube Sonnenschein Stolpersteine verlegt worden.
Von dort aus wurde die Familie am 6. März 1940 nach Westerbork deportiert. Das Lager Westerbork weckte bei vielen Inhaftierten eine trügerische Atmosphäre, dass ihr Schicksal sich günstig gefügt habe: Das Lager verfügte über eine Krankenstation und eine Schule für die Kinder. Die Inhaftierten genossen Freiheiten, die sie zuvor mitunter nicht hatten. Dies mag erklären, wie Martha und Erich Rosenthal im Lager dazu kamen, ein weiteres Kind zu bekommen.
Liesel hatte einen älteren Bruder namens Karl, geboren am 8. April 1938. Am 4. September 1944 wurden Erich, Martha, Karl und Liesel mit einem Sammeltransport zunächst nach Theresienstadt deportiert. Am 23. Oktober 1944 wurden die Rosenthals nach Auschwitz verbracht, wo Martha, Karl und Liesel umgehend in einer der letzten Vergasungen am 25. Oktober 1944 ermordet wurden. Erich Rosenthal wurde am 13. Januar 1945 im KZ-Außenlager Golleschau ermordet.