Große Straße

Familie Louis Löwenstein

Lou­is Löwen­stein war rei­sen­der Tex­til-händ­ler. Ab 1936 hat­te er kaum noch Kun­den, er wur­de sys­te­ma­tisch boy­kot­tiert. In sei­ner Not nahm er für die Ernäh­rung der Fami­lie Hypo­the­ken auf. Im Mai 1938 ver­starb sei­ne Frau Johan­na Löwen­stein. Im glei­chen Jahr war er gezwun­gen, sein bau­fäl­li­ges Haus an die Stadt zu ver­kau­fen. In der „Reichs­kris­tall­nacht“ vom 9. Novem­ber 1938 begab sich der Mob zu sei­nem Haus gegen­über der Metz­ge­rei Agnis­chock. Mit Pflas­ter­stei­nen wur­den die Schei­ben ein­ge­wor­fen, man jag­te die Fami­lie auf die Stra­ße, zer­trüm­mer­te Hab und Gut. Im Kel­ler warf man vol­le Ein­mach­glä­ser an die Wand, alle Waren aus dem Lager­raum wur­den auf die Stra­ße geschmis­sen. 1939 bat Lou­is Löwen­stein den Bür­ger­meis­ter zum wie­der­hol­ten Mal, ihm end­lich das Geld für den Haus­ver­kauf zu geben.

Zu dem Zeit­punkt war er obdach­los, ohne Haus­halt und Möbel, außer­dem hat­te er 4000 Mark Schul­den. Toch­ter Hen­ri­et­te in Hameln nahm ihn auf, er wünsch­te sich die bal­di­ge Aus­wan­de­rung nach Paläs­ti­na. 1939 wur­de er mit sei­ner Toch­ter Rosa gewalt­sam nach Köln gebracht, 1942 in das KZ The­re­si­en­stadt depor­tiert und in Treb­linka ermor­det. Rosa Löwen­stein wur­de 1942 eben­falls depor­tiert, sie kam in das KZ The­re­si­en­stadt und wur­de dort ermor­det.

Hen­ri­et­te Kamen­etz­ky geb. Löwen­stein, führ­te mit ihrem Mann Salo­mon ein Schuh­ge­schäft in Hameln. Sohn Her­mann, gebo­ren 1920, konn­te 1934 nach Paläs­ti­na aus­rei­sen. Auf­grund des Boy­kotts jüdi­scher Kauf­leu­te muss­te das Geschäft 1936 schlie­ßen. 1938 wur­de die Aus­wei­sung nach Bent­schen in Polen ange­ord­net, weil Salo­mon pol­ni­scher Staats­bür­ger war. 1939 kamen Salo­mon, Hen­ri­et­te und die Toch­ter Eva, gebo­ren 1928, in das Ghet­to Woło­min. 1942 wur­den sie in das Ver­nich­tungs­la­ger Treb­linka depor­tiert und dort ermor­det.

Für Lou­is, Johan­na, Ber­tha (verh. Wein­berg), Rosa, Hen­ri­et­te (verh. Kamen­etz­ky) und Mat­hil­de Löwen­stein wur­den am 6. Okto­ber 2016 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 55 Stol­per­stei­ne ver­legt.

Familie Calman Rosenthal und Familie Julius Ackermann

Johan­net­te Rosen­thal war die Wit­we von Cal­man Rosen­thal, der 1926 in Ibben­bü­ren starb und auf dem jüdi­schen Fried­hof bei­gesetzt wur­de. Wie vie­le ande­re Ver­folg­te jüdi­schen Glau­bens zog Johan­net­te Rosen­thal am 2.12.1938 nach Köln, und zwar in die Spi­chern­stra­ße 48. Sie starb in Köln am 11. Juni 1939.

Der Kauf­mann und Vieh­händ­ler Juli­us Acker­mann wur­de am 13.9.1901 in Wey­er / St. Goar­shau­sen (Rhein­land-Pfalz) gebo­ren. Juli­us Acker­mann war mit Hele­ne Acker­mann, gebo­re­ne Rosen­thal, ver­hei­ra­tet. Hele­ne Acker­mann kam am 4.4.1903 in Ibben­bü­ren zur Welt. Eben­falls zur Fami­lie gehör­te Erwin Acker­mann, gebo­ren am 15.1.1938 in Ibben­bü­ren, der Sohn von Hele­ne und Juli­us.

Nach der Reichs­po­grom­nacht und der Ver­wüs­tung der jüdi­schen Got­tes­häu­ser (9. / 10. Novem­ber 1938) wur­de Juli­us Acker­mann am 12.11.1938 in soge­nann­te “Schutz­haft” genom­men, nach kur­zer Zeit aber wie­der ent­las­sen. Am 5.4.1939 konn­te die Fami­lie Acker­mann, Juli­us und Hele­ne mit ihrem Sohn Erwin, auf die Phil­ip­pi­nen emi­grie­ren. Dadurch haben sie, noch vor Beginn des 2. Welt­krie­ges, ihr Leben ret­ten kön­nen. In Mani­la führ­te Erwin spä­ter als Erwach­se­ner ein Restau­rant. 1981 ist er nach Spo­ka­ne / USA aus­ge­wan­dert. Sei­ne Eltern folg­ten ihm spä­ter in die USA, und zwar nach New York.

Eli­se Acker­mann, die Mut­ter von Mar­tha und Juli­us, die am 7.7.1867 in Bles­sen­bach / Ober­lahn­kreis gebo­ren wur­de, wohn­te offi­zi­ell in Wey­er-St. Goar­shau­sen, hielt sich aber zum Zeit­punkt ihres Todes bei ihrer Fami­lie in Ibben­bü­ren auf. Eli­se Acker­mann starb am 8.5.1938 in Ibben­bü­ren. Die Todes­an­zei­ge wur­de vom St.-Elisabeth-Hospital auf­ge­ge­ben. Auch ihr Grab befin­det sich auf dem jüdi­schen Fried­hof in Ibben­bü­ren.

Mar­tha Rosen­thal, gebo­re­ne Acker­mann, die Schwes­ter von Juli­us, wur­de am 5.3.1911 eben­falls in Wey­er gebo­ren. Sie hat den Holo­caust nicht über­lebt. Sie zog am 8.12.1938 von Ibben­bü­ren zunächst nach Köln. Spä­ter flüch­te­te sie in die Nie­der­lan­de. Am 6.3.1940 wur­de sie dort inhaf­tiert und in das Sam­mel­la­ger Wes­ter­bork ver­bracht. Dort war sie bis zum 4.9.1944, danach im Ghet­to The­re­si­en­stadt, ab 23.10.1944 im Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz, wo sie ermor­det wor­den ist.

Erich und Mar­tha Rosen­thal

Der Vieh­händ­ler Erich Rosen­thal, am 23.7.1904 in Ibben­bü­ren gebo­ren, wohn­te eben­falls in der Gro­ßen Stra­ße 69. Er war mit Mar­tha Rosen­thal, geb. Acker­mann ver­hei­ra­tet. Ihr Sohn Karl Cal­man wur­de am 8.4.1938 gebo­ren. Da die Situa­ti­on der jüdi­schen Bevöl­ke­rung durch die bru­ta­len Über­grif­fe der Nazis immer bedroh­li­cher wur­de (wie Juli­us Acker­mann wur­de auch Erich Rosen­thal für etwa zwei Wochen in “Schutz­haft” genom­men), such­te die Fami­lie durch einen Umzug nach Köln, in die rela­ti­ve Anony­mi­tät der Groß­stadt, eine Lösung. Im Novem­ber / Dezem­ber 1938 war eine Blei­be in der Lüt­zow­stra­ße in Köln gefun­den. Von dort führ­te der Flucht­weg wei­ter nach Hol­land.

Am 6. März 1940 erfolg­te die Inhaf­tie­rung und der Trans­port der Fami­lie in das Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork, wo ihre Toch­ter Lie­sel gebo­ren wur­de. Der Auf­ent­halt dau­er­te bis zum Sep­tem­ber 1944.

Am 4. Sep­tem­ber 1944 wur­den Erich, Mar­tha, Karl und Lie­sel mit dem Sam­mel-Trans­port Trans­port XXIV/7, Nr. 589, zunächst nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Am 23. Okto­ber 1944 wur­den die Rosenthals mit dem Trans­port Et, nr. 511, nach Ausch­witz ver­bracht,[2] wo Mar­tha, Karl und Lie­sel umge­hend in einer der letz­ten Ver­ga­sun­gen am 25. Okto­ber 1944 ermor­det wur­den. Erich Rosen­thal wur­de am 13. Janu­ar 1945 im KZ-Außen­la­ger Gol­le­schau ermor­det.

Wal­ter, Wer­ner und Irma Rosen­thal konn­ten sich dem Zugriff der Nazis durch die Emi­gra­ti­on in die USA ent­zie­hen. Wal­ter floh am 8.8.1934 zunächst nach Wes­se­ling bei Köln. Von dort ist ihm dann die Ein­rei­se in die USA gelun­gen. 1949 war er in Flo­ra, Kan­sas gemel­det. Wal­ter starb am 21.01.1965. Wer­ner Rosen­thal emi­grier­te am 31.1.1936. Er leb­te wie Wal­ter in Flo­ra. Sein wei­te­res Schick­sal ist uns nicht bekannt. Irma Rosen­thal konn­te am 11.10.1937 in die USA emi­grie­ren. Über New York ging ihr Weg dann eben­so nach Flo­ra, Kan­sas. Dort hei­ra­te­te sie Wal­ter Wein­berg.

Für Juli­us, Hele­ne, Erwin und Eli­se Acker­mann, sowie Joha­net­te, Erich, Mar­tha, Karl C., Wal­ter, Wer­ner und Irma Rosen­thal wur­den für den 3. Novem­ber 2017 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 69 in Ibben­bü­ren eine Stol­per­stein­ver­le­gung geplant, die am 9. Novem­ber 2018 nach­ge­holt wur­de. Für Lie­sel Rosen­thal folg­te am 9. Novem­ber 2024 ein wei­te­rer Stol­per­stein.

 

Liesel Rosenthal

Lie­sel Rosen­thal kam am 29. März 1944 als Toch­ter von Mar­tha und Erich Rosen­thal im Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork zur Welt, nach­dem ihre Fami­lie bereits aus Ibben­bü­ren und Köln geflo­hen und am 3. Janu­ar 1939 nach Rot­ter­dam geflüch­tet war.

Von dort aus wur­de die Fami­lie am 6. März 1940 nach Wes­ter­bork depor­tiert. Das Lager Wes­ter­bork weck­te bei vie­len Inhaf­tier­ten eine trü­ge­ri­sche Atmo­sphä­re, dass ihr Schick­sal sich güns­tig gefügt habe: Das Lager ver­füg­te über eine Kran­ken­sta­ti­on und eine Schu­le für die Kin­der. Die Inhaf­tier­ten genos­sen Frei­hei­ten, die sie zuvor mit­un­ter nicht hat­ten. Dies mag erklä­ren, wie Mar­tha und Erich Rosen­thal im Lager dazu kamen, ein wei­te­res Kind zu bekom­men.

Lie­sel hat­te einen älte­ren Bru­der namens Karl, gebo­ren am 8. April 1938. Am 4. Sep­tem­ber 1944 wur­den Erich, Mar­tha, Karl und Lie­sel mit einem Sam­mel­trans­port zunächst nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Am 23. Okto­ber 1944 wur­den die Rosenthals nach Ausch­witz ver­bracht, wo Mar­tha, Karl und Lie­sel umge­hend in einer der letz­ten Ver­ga­sun­gen am 25. Okto­ber 1944 ermor­det wur­den. Erich Rosen­thal wur­de am 13. Janu­ar 1945 im KZ-Außen­la­ger Gol­le­schau ermor­det.

Für Lie­sel Rosen­thal wur­de am 9. Novem­ber 2024 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 69 in Ibben­bü­ren ein Stol­per­stein ver­legt.