Durchgangslager Westerbork

Familie Sally Löwenstein

Die Fami­lie Löwen­stein führ­te über meh­re­re Gene­ra­tio­nen ein Kauf­haus im Zen­trum Ibben­bü­rens am Unte­ren Markt. Die Eltern Sal­ly und Ber­tha Löwen­stein hat­ten vier Kin­der: Man­fred, Juli­us, Lil­ly und Sieg­fried. Man­fred hei­ra­te­te Emma Pop­pert, Juli­us Eleo­no­re Wil­hel­mi­ne Lan­ge, Lil­ly Wal­ter Pop­pert und Sieg­fried Mar­tha Eichen­wald.

Wäh­rend der Welt­wirt­schafts­kri­se geriet auch ihr Geschäft in eine finan­zi­el­le Schief­la­ge, 1928 muss­te Sal­ly schließ­lich Kon­kurs anmel­den. Man­fred eröff­ne­te nach dem Kon­kurs der Eltern eben­falls am Unte­ren Markt 2 ein Kauf­haus.

1935 orga­ni­sier­te die NSDAP-Orts­grup­pe einen loka­len Boy­kott gegen alle Geschäf­te, die von Juden geführt wur­den. In der Fol­ge des Boy­kotts muss­te auch Man­fred sein Geschäft auf­ge­ben. Er ver­pach­te­te die Geschäfts­räu­me schließ­lich an einen SA-Mann, der ihm jedoch offen­bar die Pacht nicht zahl­te und das Geschäft bereits ein Jahr spä­ter wie­der auf­ge­ben muss­te. Man­fred Löwen­stein ließ bei sei­nem Schuld­ner Tei­le des Haus­rats pfän­den und beschimpf­te den SA-Mann als Lump und Betrü­ger, was in der Öffent­lich­keit für viel Auf­merk­sam­keit sorg­te. Man­fred und sei­ne Frau Emma Löwen­stein flo­hen kur­ze Zeit spä­ter in das nahe­ge­le­ge­ne Ensche­de. Man­freds wei­te­res Schick­sal ist unge­klärt, nur von Emma ist bekannt, dass sie in Wes­ter­bork inter­niert und spä­ter in ein Ver­nich­tungs­la­ger gebracht wur­de. Sei­nen Eltern Sal­ly und Ber­tha Löwen­stein gelang es 1938, zur Toch­ter Lil­ly und deren Mann Wal­ter Pop­pert nach Worces­ter in Süd­afri­ka zu flie­hen, die bereits 1936 dort Zuflucht gefun­den hat­ten. 1939 gelang schließ­lich auch Juli­us und Eleo­no­re Löwen­stein die Flucht nach Süd­afri­ka.

Am 6. Okto­ber 2016 wur­den an der Adres­se Unte­rer Markt 2 in Ibben­bü­ren Stol­per­stei­ne für Sal­ly, Ber­tha, Man­fred, Emma, Eleo­no­re und Juli­us Löwen­stein, sowie Wal­ter und Lil­ly Pop­pert ver­legt.

Familie Calman Rosenthal und Familie Julius Ackermann

Johan­net­te Rosen­thal war die Wit­we von Cal­man Rosen­thal, der 1926 in Ibben­bü­ren starb und auf dem jüdi­schen Fried­hof bei­gesetzt wur­de. Wie vie­le ande­re Ver­folg­te jüdi­schen Glau­bens zog Johan­net­te Rosen­thal am 2.12.1938 nach Köln, und zwar in die Spi­chern­stra­ße 48. Sie starb in Köln am 11. Juni 1939.

Der Kauf­mann und Vieh­händ­ler Juli­us Acker­mann wur­de am 13.9.1901 in Wey­er / St. Goar­shau­sen (Rhein­land-Pfalz) gebo­ren. Juli­us Acker­mann war mit Hele­ne Acker­mann, gebo­re­ne Rosen­thal, ver­hei­ra­tet. Hele­ne Acker­mann kam am 4.4.1903 in Ibben­bü­ren zur Welt. Eben­falls zur Fami­lie gehör­te Erwin Acker­mann, gebo­ren am 15.1.1938 in Ibben­bü­ren, der Sohn von Hele­ne und Juli­us.

Nach der Reichs­po­grom­nacht und der Ver­wüs­tung der jüdi­schen Got­tes­häu­ser (9. / 10. Novem­ber 1938) wur­de Juli­us Acker­mann am 12.11.1938 in soge­nann­te “Schutz­haft” genom­men, nach kur­zer Zeit aber wie­der ent­las­sen. Am 5.4.1939 konn­te die Fami­lie Acker­mann, Juli­us und Hele­ne mit ihrem Sohn Erwin, auf die Phil­ip­pi­nen emi­grie­ren. Dadurch haben sie, noch vor Beginn des 2. Welt­krie­ges, ihr Leben ret­ten kön­nen. In Mani­la führ­te Erwin spä­ter als Erwach­se­ner ein Restau­rant. 1981 ist er nach Spo­ka­ne / USA aus­ge­wan­dert. Sei­ne Eltern folg­ten ihm spä­ter in die USA, und zwar nach New York.

Eli­se Acker­mann, die Mut­ter von Mar­tha und Juli­us, die am 7.7.1867 in Bles­sen­bach / Ober­lahn­kreis gebo­ren wur­de, wohn­te offi­zi­ell in Wey­er-St. Goar­shau­sen, hielt sich aber zum Zeit­punkt ihres Todes bei ihrer Fami­lie in Ibben­bü­ren auf. Eli­se Acker­mann starb am 8.5.1938 in Ibben­bü­ren. Die Todes­an­zei­ge wur­de vom St.-Elisabeth-Hospital auf­ge­ge­ben. Auch ihr Grab befin­det sich auf dem jüdi­schen Fried­hof in Ibben­bü­ren.

Mar­tha Rosen­thal, gebo­re­ne Acker­mann, die Schwes­ter von Juli­us, wur­de am 5.3.1911 eben­falls in Wey­er gebo­ren. Sie hat den Holo­caust nicht über­lebt. Sie zog am 8.12.1938 von Ibben­bü­ren zunächst nach Köln. Spä­ter flüch­te­te sie in die Nie­der­lan­de. Am 6.3.1940 wur­de sie dort inhaf­tiert und in das Sam­mel­la­ger Wes­ter­bork ver­bracht. Dort war sie bis zum 4.9.1944, danach im Ghet­to The­re­si­en­stadt, ab 23.10.1944 im Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz, wo sie ermor­det wor­den ist.

Erich und Mar­tha Rosen­thal

Der Vieh­händ­ler Erich Rosen­thal, am 23.7.1904 in Ibben­bü­ren gebo­ren, wohn­te eben­falls in der Gro­ßen Stra­ße 69. Er war mit Mar­tha Rosen­thal, geb. Acker­mann ver­hei­ra­tet. Ihr Sohn Karl Cal­man wur­de am 8.4.1938 gebo­ren. Da die Situa­ti­on der jüdi­schen Bevöl­ke­rung durch die bru­ta­len Über­grif­fe der Nazis immer bedroh­li­cher wur­de (wie Juli­us Acker­mann wur­de auch Erich Rosen­thal für etwa zwei Wochen in “Schutz­haft” genom­men), such­te die Fami­lie durch einen Umzug nach Köln, in die rela­ti­ve Anony­mi­tät der Groß­stadt, eine Lösung. Im Novem­ber / Dezem­ber 1938 war eine Blei­be in der Lüt­zow­stra­ße in Köln gefun­den. Von dort führ­te der Flucht­weg wei­ter nach Hol­land.

Am 6. März 1940 erfolg­te die Inhaf­tie­rung und der Trans­port der Fami­lie in das Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork, wo ihre Toch­ter Lie­sel gebo­ren wur­de. Der Auf­ent­halt dau­er­te bis zum Sep­tem­ber 1944.

Am 4. Sep­tem­ber 1944 wur­den Erich, Mar­tha, Karl und Lie­sel mit dem Sam­mel-Trans­port Trans­port XXIV/7, Nr. 589, zunächst nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Am 23. Okto­ber 1944 wur­den die Rosenthals mit dem Trans­port Et, nr. 511, nach Ausch­witz ver­bracht,[2] wo Mar­tha, Karl und Lie­sel umge­hend in einer der letz­ten Ver­ga­sun­gen am 25. Okto­ber 1944 ermor­det wur­den. Erich Rosen­thal wur­de am 13. Janu­ar 1945 im KZ-Außen­la­ger Gol­le­schau ermor­det.

Wal­ter, Wer­ner und Irma Rosen­thal konn­ten sich dem Zugriff der Nazis durch die Emi­gra­ti­on in die USA ent­zie­hen. Wal­ter floh am 8.8.1934 zunächst nach Wes­se­ling bei Köln. Von dort ist ihm dann die Ein­rei­se in die USA gelun­gen. 1949 war er in Flo­ra, Kan­sas gemel­det. Wal­ter starb am 21.01.1965. Wer­ner Rosen­thal emi­grier­te am 31.1.1936. Er leb­te wie Wal­ter in Flo­ra. Sein wei­te­res Schick­sal ist uns nicht bekannt. Irma Rosen­thal konn­te am 11.10.1937 in die USA emi­grie­ren. Über New York ging ihr Weg dann eben­so nach Flo­ra, Kan­sas. Dort hei­ra­te­te sie Wal­ter Wein­berg.

Für Juli­us, Hele­ne, Erwin und Eli­se Acker­mann, sowie Joha­net­te, Erich, Mar­tha, Karl C., Wal­ter, Wer­ner und Irma Rosen­thal wur­den für den 3. Novem­ber 2017 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 69 in Ibben­bü­ren eine Stol­per­stein­ver­le­gung geplant, die am 9. Novem­ber 2018 nach­ge­holt wur­de. Für Lie­sel Rosen­thal folg­te am 9. Novem­ber 2024 ein wei­te­rer Stol­per­stein.

 

Familie David Rosenthal

Eine gro­ße Fami­lie waren die Rosenthals in Ibben­bü­ren, in der Post­stra­ße 7. Die Eltern, David Rosen­thal, gebo­ren am 12.1.1874 in Ibben­bü­ren und sei­ne Ehe­frau Regi­ne, gebo­re­ne Epstein. Regi­ne Rosen­thal kam am 24.4.1874 in Goch, Nie­der­rhein, zur Welt. 1901 wur­de in Gel­sen­kir­chen gehei­ra­tet. Die bei­den beka­men neun Kin­der, nicht unge­wöhn­lich zu der Zeit.
Mit dem auf­kom­men­den Natio­nal­so­zia­lis­mus zum Ende der Wei­ma­rer Repu­blik wur­de die Situa­ti­on für Bür­ger jüdi­schen Glau­bens in Deutsch­land immer bedroh­li­cher. Nach­dem die Nazis Ende Janu­ar 1933 an die Macht gekom­men waren, ent­schlos­sen sich Regi­ne und David im April 1933, ihre Hei­mat zu ver­las­sen und nach Hol­land zu flüch­ten. In Ams­ter­dam, Ver­wand­te hat­ten gehol­fen, fand man in der Jan Steenstra­at eine neue Blei­be. Am 9.2.1943 wur­den David und Regi­ne zunächst nach Wes­ter­bork und dann nach Ausch­witz depor­tiert. Bei­de wur­den dort am 12.2.1943 ermor­det.

Paul Rosen­thal
wur­de am 2.8.1902 in Ibben­bü­ren gebo­ren, der Ältes­te von neun Kin­dern. Paul zog es bereits 1925 nach Olpe ins Sau­er­land. Paul und sei­ne Schwes­ter Ella hat­ten das Glück, die rich­ti­ge Ent­schei­dung zu tref­fen. Sie ver­lie­ßen 1936 den Kon­ti­nent und emi­grier­ten nach Chi­le. Paul Rosen­thal ist am 15.3.1986 in Chi­le gestor­ben.
Am 29.12.1903 wur­den dem Ehe­paar Rosen­thal Zwil­lin­ge gebo­ren, Her­ta und Har­ry Rosen­thal. Her­ta zog im Janu­ar 1928 nach Ams­ter­dam. Wegen der Nähe und der ver­wandt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen wur­den die Nie­der­lan­de und Ams­ter­dam zu einem Flucht­punkt vie­ler Juden aus unse­rer Regi­on. So auch Her­ta, die dort ihren Mann Ger­rit Polak ken­nen­ge­lernt hat­te.
Am 7. Febru­ar 1929 wur­de ihnen der Sohn Edu­ard gebo­ren. Wes­ter­bork, das Inter­nie­rungs­la­ger für Juden, war dann auch für die Polaks die nächs­te Sta­ti­on. Von dort wur­den sie nach Ausch­witz depor­tiert. Alle drei wur­den dort am 21.1.1943 ermor­det.

Har­ry Rosen­thal
emi­grier­te am 4.4.1933 nach Ams­ter­dam. Dort konn­te er zunächst als Kauf­mann arbei­ten. Die Ein­künf­te reich­ten gera­de mal zum Über­le­ben. Ab 1941 leb­te er in der Swam­mer­dam­stra­at gemein­sam mit sei­ner nie­der­län­di­schen Frau Wil­hel­mi­na Voor­zan­ger. Am 24.6.1942 wur­den Har­ry und sei­ne Frau vom Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork nach Ausch­witz depor­tiert. Bei­de wur­den dort ermor­det. Har­ry am 13.8.1942, sei­ne Frau Wil­hel­mi­na 6 Wochen spä­ter.

Her­ta Polak
war Har­rys Zwil­lings­schwes­ter. 1928 zog sie nach Ams­ter­dam, wo sie Ger­rit Polak hei­ra­te­te. Bei­de beka­men einen Sohn namens Edu­ard, genannt Eddie. Über

Hen­ny Rosen­thal
wur­de am 20.3.1905 in Gel­sen­kir­chen gebo­ren. Sie wuchs in Ibben­bü­ren auf, zog aber bereits am 16.4.1929 in die Nie­der­lan­de. Auch sie wur­de spä­ter nach Wes­ter­bork depor­tiert. Zwi­schen dem 2. März und dem 20. Juli 1943 ver­lie­ßen 19 Trans­port­zü­ge Wes­ter­bork in Rich­tung Sobi­bor. In einem die­ser Züge befand sich auch Hen­ny. Bis auf weni­ge Aus­nah­men fan­den fast alle den Tod in der Gas­kam­mer. Hen­ny Rosen­thal wur­de am 16.7.1943 in die­sem Ver­nich­tungs­la­ger ermor­det.

Ella Rosen­thal
wur­de am 18.8.1909 in Ibben­bü­ren gebo­ren. Nur sie, Paul und Ernst haben den Holo­caust über­lebt. Paul und Ella hat­ten ent­schie­den, den Kon­ti­nent zu ver­las­sen und nach Chi­le zu emi­grie­ren. Ella zog einen Tag nach der Macht­über­nah­me der Natio­nal­so­zia­lis­ten, am 31.1.1933, zunächst nach Utrecht. 1936 ist sie dann nach Süd­ame­ri­ka, Sant­ia­go de Chi­le, gereist. Sie hei­ra­te­te dort ihren Ver­lob­ten Oskar Schat­ten­feld, der aus Karls­ru­he stamm­te.

Ernst Rosen­thal
wur­de am 14.3.1907 in Ibben­bü­ren als fünf­tes Kind von acht Geschwis­tern gebo­ren. Er war der ein­zi­ge aus sei­ner Fami­lie, der trotz Depor­ta­ti­on dem Völ­ker­mord ent­kam. Zwei sei­ner Geschwis­ter hat­ten sich durch Flucht nach Chi­le geret­tet. Die Eltern und sechs Geschwis­ter wur­den ermor­det. Ernst leb­te seit 1922 wech­selnd in Ham­burg und Ibben­bü­ren. 1932 ging auch er nach Ams­ter­dam, 1933 der Rest der Fami­lie. Ab da leb­te nie­mand mehr aus die­ser Fami­lie in Ibben­bü­ren. Ernst war 1980 zu Besuch in Ibben­bü­ren und sprach mit Frau Rie­ping von der IVZ und mit Frau Alt­hoff, die Exper­tin in Fra­gen der Ibben­bü­re­ner Juden ist. Die Auf­zeich­nun­gen über die­ses Tref­fen waren aber sehr unklar. Bei heu­ti­gen Nach­for­schun­gen, u. a. einem Besuch in Ber­gen-Bel­sen, wur­de eini­ges kla­rer. Die gan­ze Fami­lie stand dort im Gedenk­buch. Und der Trans­port am 7.4.1945 mit Ziel The­re­si­en­stadt war dort ver­zeich­net. Wahr­schein­lich war jeman­dem wie Ernst, des­sen Leben in letz­ter Minu­te geret­tet wur­de, vie­les davon nicht wich­tig, oder es wur­de ein­fach ver­dräng­te.

Ernst hat­te Mari­an­ne Pee­per in Ams­ter­dam 1935 gehei­ra­tet und hat­te mit ihr zwei Kin­der: Regi­na, geb. 1936 in Baarn und Ger­rit, geb. 1939 in Ams­ter­dam. 1943 wur­de die gan­ze Fami­lie in Wes­ter­bork inter­niert. Depor­tiert wur­den sie am 16.2.1944 ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ber­gen-Bel­sen. Nach­dem der Bru­der von Mari­an­ne an die Nazis 120.000 Gul­den gezahlt hat­te, kamen sie ins Aus­tausch­la­ger. Hier waren Juden, die mit Devi­sen gegen deut­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne u. a. aus­ge­tauscht wur­den; sie wur­den erst ein­mal pfleg­li­cher behan­delt. Als die Bri­ti­sche Armee schon fast das Lager erreicht hat­te, wur­den 6.800 von ihnen in drei Züge ver­la­den, die in Rich­tung The­re­si­en­stadt gin­gen. Nur ein Zug kam dort an und trug das Fleck­fie­ber ins Lager. Der „ver­lo­re­ne Zug“ wur­de in der Nähe von Trö­bitz von der sowje­ti­schen Armee gefun­den und die Insas­sen sofort ver­sorgt, v. a. medi­zi­nisch. Der Zug, in dem Ernst und Fami­lie waren, blieb in Fars­le­ben bei Mag­de­burg am 12. April 1945 lie­gen und wur­de am 13.4. von den Ame­ri­ka­nern geöff­net. Im April 2020 soll­te an der Bahn­stre­cke ein Denk­mal gesetzt wer­den. Das ver­hin­der­te die Coro­na-Pan­de­mie. Die Men­schen aus dem „gestran­de­ten Zug“ wur­den in die NS-Hee­res­ver­suchs­an­stalt in Hil­ler­le­ben gebracht. Dort wur­de die Kaser­ne geräumt oder war bereits leer, es gab alles, was durs­ti­ge, hung­ri­ge, ver­dreck­te, kran­ke und auch ster­ben­de Men­schen brauch­ten. Alle hat­ten Fleck­fie­ber oder Typhus, vie­le von ihnen waren schon wäh­rend der Zug­fahrt gestor­ben und sind neben den Glei­sen beer­digt wor­den. Ernst Rosen­thal hat in den Orts­an­ga­ben Rät­sel­haf­tes und über die Zug­fahrt wenig, eigent­lich nichts berich­tet. Eine ande­re Über­le­ben­de sag­te spä­ter, es sei ein Blick in die Höl­le gewe­sen. Ab hier setz­ten die Erin­ne­run­gen Ernst Rosenthals wie­der ein. Über die Ver­sor­gung und den spä­te­ren Trans­port nach Ams­ter­dam hat er berich­tet. 1953 wur­de er Bür­ger der Nie­der­lan­de. Er starb am 18.6.1983.

Gre­te Hond
wur­de am 22.5.1911 in Ibben­bü­ren gebo­ren. Am 27.3.1928 ist Gre­te Rosen­thal in die Nie­der­lan­de gezo­gen. Nach ihrer Hei­rat zog sie mit ihrem Ehe­mann Salo­mon Hond in die Roer­stra­at in Ams­ter­dam. Am 28.10.1938 beka­men die bei­den einen Sohn, Rudi René. Am 7.8.1942 wur­den sie zunächst nach Wes­ter­bork und von dort nach Ausch­witz depor­tiert. Alle drei wur­den noch am Tag ihrer Ankunft am 8.8.1942 ermor­det.

Ilse Rosen­thal
kam am 21.9.1913 zur Welt. Mit 19 Jah­ren ver­ließ sie Deutsch­land und zog, wie Geschwis­ter und Ver­wand­te, nach Ams­ter­dam. Sie arbei­te­te als Haus­häl­te­rin, sie leb­te allein. Als sie in Wes­ter­bork inter­niert wur­de, war sie 29 Jah­re alt. Ilse wur­de von Wes­ter­bork nach Ausch­witz depor­tiert, wo sie am 30.9.1942 ermor­det wur­de.

Heinz und Sel­ma Rosen­thal

Hein­rich Rosen­thal
gebo­ren am 5.10.1916, emi­grier­te 1933 im April in die Nie­der­lan­de nach Ams­ter­dam. Da war er 16 Jah­re alt. 1936 ver­ließ Heinz den euro­päi­schen Kon­ti­nent und ging mit sei­nem Bru­der Paul und sei­nem Cou­sin Otto Ewald Rosen­thal nach Sant­ia­go de Chi­le. Das Heim­weh wur­de ihnen zum Schick­sal, denn Hein­rich und sein Cou­sin kamen 1937 wie­der zurück in die Nie­der­lan­de. Sie wohn­ten zunächst in Deven­ter, spä­ter zog Hein­rich dann aber wie­der zu sei­nen Eltern nach Ams­ter­dam, wo er als Buch­dru­cker arbei­ten konn­te. Am 27.5.1942 wur­de Hoch­zeit gefei­ert, Hein­rich hei­ra­te­te die 20-jäh­ri­ge Sel­ma Citro­en. Am 15.7.1942 wur­de das Ehe­paar von Wes­ter­bork nach Ausch­witz depor­tiert. In die­sem Trans­port saß auch Ilse, die Schwes­ter von Hein­rich. Hein­rich und Sel­ma star­ben am 30.9.1942 in Ausch­witz.

Für David, Regi­ne, Paul, Har­ry, Her­ta, Hen­ny, Ernst, Ella Julia, Ilse und Hein­rich Rosen­thal, sowie Gre­te Hond wur­den am 23. Juni 2021 an der Adres­se Post­stra­ße 7 in Ibben­bü­ren Stol­per­stei­ne ver­legt.

Liesel Rosenthal

Lie­sel Rosen­thal kam am 29. März 1944 als Toch­ter von Mar­tha und Erich Rosen­thal im Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork zur Welt, nach­dem ihre Fami­lie bereits aus Ibben­bü­ren und Köln geflo­hen und am 3. Janu­ar 1939 nach Rot­ter­dam geflüch­tet war.

Von dort aus wur­de die Fami­lie am 6. März 1940 nach Wes­ter­bork depor­tiert. Das Lager Wes­ter­bork weck­te bei vie­len Inhaf­tier­ten eine trü­ge­ri­sche Atmo­sphä­re, dass ihr Schick­sal sich güns­tig gefügt habe: Das Lager ver­füg­te über eine Kran­ken­sta­ti­on und eine Schu­le für die Kin­der. Die Inhaf­tier­ten genos­sen Frei­hei­ten, die sie zuvor mit­un­ter nicht hat­ten. Dies mag erklä­ren, wie Mar­tha und Erich Rosen­thal im Lager dazu kamen, ein wei­te­res Kind zu bekom­men.

Lie­sel hat­te einen älte­ren Bru­der namens Karl, gebo­ren am 8. April 1938. Am 4. Sep­tem­ber 1944 wur­den Erich, Mar­tha, Karl und Lie­sel mit einem Sam­mel­trans­port zunächst nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Am 23. Okto­ber 1944 wur­den die Rosenthals nach Ausch­witz ver­bracht, wo Mar­tha, Karl und Lie­sel umge­hend in einer der letz­ten Ver­ga­sun­gen am 25. Okto­ber 1944 ermor­det wur­den. Erich Rosen­thal wur­de am 13. Janu­ar 1945 im KZ-Außen­la­ger Gol­le­schau ermor­det.

Für Lie­sel Rosen­thal wur­de am 9. Novem­ber 2024 an der Adres­se Gro­ße Stra­ße 69 in Ibben­bü­ren ein Stol­per­stein ver­legt.

Fahrt nach Westerbork

Am 11. Mai 2024 besuch­ten wir das Kamp Wes­ter­bork, im Deut­schen zur Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus auch Durch­gangs­la­ger Wes­ter­bork genannt. Das Lager wur­de nicht nur von den Nazis als Durch­gangs­la­ger ver­wen­det, des­we­gen hat es im Nie­der­län­di­schen eine all­ge­mei­ne­re Bezeich­nung.

Heut­zu­ta­ge ist das Lager ein unge­mein grü­ner Ort, man fin­det dort vie­le Bäu­me, Rasen­flä­chen und Büsche, die ins­ge­samt einen sehr natür­li­chen Ein­druck hin­ter­las­sen. Zu Zei­ten des Durch­gangs­la­gers sah der Ort aber wüs­ten­ähn­lich aus, unbe­grünt und weit­läu­fig mit Sand­flä­chen bedeckt.

Optisch zen­tral im Durch­gangs­la­ger war der Abfahrt­zug in den Osten. Er war eine stän­di­ge Bedro­hung: Wer sich nicht füg­te, lief Gefahr umge­hend in einen sol­chen Zug ver­frach­tet zu wer­den.

Ein Denk­mal im Lager ist das vom ehe­ma­li­gen Lager­in­sas­sen und Künst­ler Ralph Prins am 4. Mai 1970 ent­hüll­te Gleis-Kunst­werk: Es zeigt  eine Bahn­stre­cke, aus­ge­hend von einem Puf­fer­block, die über 97 Schwel­len geht, von denen 93 mit den Schie­nen ver­nie­tet sind. Die 93 Schie­nen ste­hen für die 93 Depor­ta­ti­ons­zü­ge, die Wes­ter­bo­kr ver­lie­ßen, die übri­gen für vier wei­te­re Depor­ta­ti­ons­zü­ge außer­halb von Wes­ter­bork.

Ein wei­te­res Denk­mal besteht aus 102000 Stei­nen, stell­ver­tre­tend für alle umge­kom­me­nen Lager­in­sas­sen:

Unter einer Glas­kup­pel erhal­ten ist das Haus des Lager­kom­man­deurs Albert Gem­me­ker:

Um ein ruhi­ges Lager­kli­ma zu haben, ließ Gem­me­ker Schul­un­ter­richt und Kin­der­be­treu­ung im Lager zu, so dass Lager­in­sas­sen eine posi­ti­ve­re Sicht der eige­nen Lage gewan­nen, als es tat­säch­lich war. Ande­rer­seits wur­de den Insas­sen gedroht, dass jeder Aus­buchs­ver­such sofort in einem Abtrans­port enden wür­de.